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Der Kobold zu Lauter

  Lehmann a. a. O. S. 949.

Im Jahre 1695 kurz vor Weihnachten ereignete sich zu Lauter in einer Schenke bei einem da wohnenden Fleischer in der Kammer, wo er mit seinen Kindern schlief, von ohngefähr 9 bis 11 Uhr Abends und von 1 bis 3 Uhr nach Mitternacht, bei dem Bette der Kinder ein Kratzen, welches sie merklich in der Ruhe störte. Anfänglich hat er’s für eine große Ratte oder etwas dergleichen gehalten, fleißig aufgestellt, aber nichts gefangen, noch gesehen, noch ergreifen können.

Mit der Zeit hat’s auch angefangen laut zu pochen, daß man’s im Keller hat hören können und hat den Kindern keine Ruhe gelassen. Ein Knabe von 12 Jahren hat fleißig gebetet und zu ihm gesagt: „laß mich doch in Ruhe, wenn Du nicht mit beten willst, auch nicht beten kannst, so gehe Deiner Wege,“ und ist unerschrocken gewesen.

Im Januar 1696 hat ein Kind von ohngefähr ein Band in seinen Händen mit in’s Bett genommen, welches dieses Ungethüm dem Volke durch ein Astloch der Decke herab es in’s Haus steckend gezeigt und damit gespielt hat: wenn’s Jemand ergreifen wollen, ist es entwischt und bald zu einem bald zum andern Loche auf dieselbe Weise heruntergehangen worden.

Gedachter Fleischer hat dabei sein Geld aus einem verschlossenen Kasten vermißt und ist gerade dazu gekommen, wie es ein ganzes Bund Wäsche bis an die Kammerthür gebracht, so er noch gerettet. Der Schulmeistersubstitut des Orts unterstand sich, das Ungeheuer zu fragen, da es denn viel geredet, in einem Tone, wie ein zarter Knabe oder eine Weibsperson, ist auch zornig auf ihn geworden, daß es ihn hinein in die Kammer gefordert, wohin er sich doch nicht hat getrauen wollen, sondern ist in der Thür stehen geblieben.

Hernach haben auch Andere ihren Fürwitz gebüßt und allerlei gefragt, unter Anderem, ob es von einer gewissen Person dahin gebannt wäre, da es denn mit Ja geantwortet. Seit dem 9. Januar, wo die Wirthin eines Kindes genesen, ist aber nichts mehr von ihm gehört worden.

Quelle: Johann Georg Theodor Grässe: Der Sagenschatz des Königreichs Sachsen, Band 1. Schönfeld, Dresden 1874, Seite 486