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Die Todtenhand zu Buchholz

  Poetisch bearbeitet von Ziehnert Bd. III. S. 35 sq.

Als im Jahre 1730 der Todtengräber auf dem Kirchhofe zu Buchholz ein Grab graben wollte, fand er im Sande eine noch ganz unverwesete Todtenhand, der aber der Gold- und kleine Finger wie weggehackt waren. Er zeigte dieselbe dem Pastor Melzer daselbst und dieser schlug nun im Kirchenbuche nach, wem dieselbe gehört haben möge, da er sich erinnerte, daß schon am 14. Juni des Jahres 1704 ihm von dem damaligen Todtengräber dieselbe Meldung gemacht worden sei, er aber demselben den Bescheid gegeben, die Hand wieder einzuscharren, weil sie wahrscheinlich an einer Wasserkluft gelegen und deshalb nicht habe verwesen können.

Jetzt fand sich’s, daß die Hand dem im Jahre 1669 begrabenen Sohne des Stadtrichters von Buchholz, Andreas Müller, gehörte, der, weil er seine alte Mutter, die er bestohlen und, als sie ihm den Diebstahl vorgeworfen, gemißhandelt und mit Ermordung bedroht hatte, von dieser verflucht worden war.

Dadurch war denn jene alte Sage bewiesen, daß dem, der sich an seinen Eltern vergeht, die Hand aus dem Grabe wächst1).

Quelle: Johann Georg Theodor Grässe: Der Sagenschatz des Königreichs Sachsen, Band 1. Schönfeld, Dresden 1874, Seite 463


1)
Beispiele s. b. Garmann, De miraculis mortuorum p. 91. Iccander, Sächs. Kernchronik. LVIstes Couvert S. 477. Kornmann, De mirac, mort, P. III. c. 47–50. Auch Temme erzählt in den Sagen der Altmark (Nr. 56.) von einem ungeratenen Sohne im Dorfe Groß-Redensleben, welcher seinen Vater schlug, als ihn derselbe wegen seines sündhaften Wandels ermahnte. Darauf ereilte den Sohn sogleich die Strafe des Himmels, er stürzte tot nieder. Als man ihn aber begrub, wuchs seine eine Hand aus dem Grabe heraus und man musste sie abhauen, da sie sich nicht mit vergraben ließ. Zur Erinnerung wurde sie in der Kirche ausgehangen und darüber an einer schwarzen Tafel folgendes geschrieben:
Sieh, sieh du böses Kind,
Was man hier merklich find´t,
Eine Hand, die nicht verwest,
Weil der, deß sie gewest,
War ein ungeratenes Kind,
Wie man auch jetzt noch find´t.
Den Vater schlug der Sohn,
Drum hat er dies zum Lohn,
Dass hier hängt seine Hand,
Hüt´ dich für solche Schand´.