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Die Eule in Leipzig

  S. Schäfer Wahrz. Bd. I. S. 28. 
  Ziehnert Bd. III. S. 239 fgg.

Im Hofe eines Hauses auf der Peterstraße zu Leipzig ist in einer kleinen Nische eine steinerne Eule zu sehen, welche das Andenken an eine traurige, dort vorgefallene Begebenheit erhalten soll.

Einst war in jenem Hause ein Pförtner oder Hausmann, der so verschlafen war, daß er fast niemals aufmachte, es mochte noch so stark an die Thür gepocht werden, was zur Folge hatte, daß die Inwohner des Hauses, wenn sie zu spät nach Hause kamen, nicht hereinkonnten und also bei allem Unwetter außen stehen bleiben mußten. Darüber beschwerten sie sich so lange bei dem Hausbesitzer, bis dieser den Pförtner aus dem Dienste zu entlassen drohte. Darüber war nun dieser sehr betrübt und sann hin und her, wie er sich sein Brod erhalten wollte.

Da trat auf einmal der Teufel in menschlicher Gestalt und nicht furchtbar, wie gewöhnlich, zu ihm und bot ihm an, wenn er mit ihm einen Vertrag über seine Seele machen wolle, daß er ihn nach 10 Jahren holen könne, wolle er in der Nacht unter der Gestalt einer Eule für ihn wachen und ihn wecken, so Jemand hereinwolle. Zwar wollte jener anfangs nicht darauf eingehen, allein die Liebe zu einem ruhigen und sorgenfreien Leben veranlaßte ihn endlich doch den Vertrag mit seinem Blute zu unterzeichnen.

So trat denn der Teufel als Eule seinen Dienst an, und seit dieser Zeit hatte sich Niemand mehr über das Verschlafensein des Hausmanns zu beschweren. Als aber die 10 Jahre um waren, fand man ihn früh todt in seinem Bette; der Teufel hatte ihm den Hals umgedreht.

Quelle: Johann Georg Theodor Grässe: Der Sagenschatz des Königreichs Sachsen, Band 1. Schönfeld, Dresden 1874, Seite 352