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Die schmatzenden Todten zu Oschatz

  Hoffmann Bd. I. S. 182.

Als die Pest 1552 zu Oschatz wüthete, wurden zu Ende des Augusts zwei Wächter angestellt, welche 3 Nächte auf dem Gottesacker wachen und horchen sollten, ob es wahr sei, was man berichtet, daß die Todten geschmatzt hätten. Es war nämlich die Sitte, wenn man solches vernommen und daraus geschlossen hatte, daß die schmatzenden Todten noch mehrere ihrer Freunde nachholen würden, dieselben auszugraben, ihnen die Kleider, daran sie kaueten, aus dem Munde zu reißen und ihnen mit dem Grabscheite den Kopf abzustechen. Noch heute entfernen an vielen Orten im Königreiche Sachsen darum die Leichenweiber sorgfältig Alles vom Munde des Verstorbenen, ehe er eingesargt wird, damit er nichts von seinem Anzuge mit demselben erreichen kann.

Quelle: Johann Georg Theodor Grässe: Der Sagenschatz des Königreichs Sachsen, Band 1. Schönfeld, Dresden 1874, Seite 226