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Das schwarze Kreuz in der Dresdner Haide

  Novellistisch behandelt von K. Winter in der Const. Ztg. 1854. Nr. 153-155.

Wenn man von Dresden aus durch das Priesnitzthal über die sogenannte neue Brücke nach einer ziemlich umfangreichen Waldblöße geht, und dann die durch diese führende Pillnitz-Moritzburger Straße überschreitet, so gelangt man auf einem Fußwege zu einer Anhöhe, auf der sich ein sehr hohes, schwarz angestrichenes Kreuz befindet, das immer wieder erneuert wird und in dessen Nähe es zwischen 12–2 Uhr Mittags nicht geheuer sein soll.

Es soll sich da das sogenannte Mittagsweibchen sehen lassen, d. h. eine steinalte Frau in einem weiten weißen Kleide und mit einem weißen Tuche über dem Kopfe, welche den dort hinkommenden Holzlesern den Weg zu versperren, sie anzureden, zu ermahnen und zuweilen auch zu beschenken pflegt.

Nach einigen wäre dies der Geist einer hier nebst ihrem Bräutigam von Mörderhänden erschlagenen Braut, die diesen Ort auf einer Wallfahrt zu einem Gnadenbilde in Langebrück passiren mußte, und jenes Kreuz müsse laut einer Stiftung ihrer reichen Schwiegermutter, die nach dem Tode ihres einzigen Sohnes Alles ihrer Vaterstadt Dresden vermacht habe, vom Rathe der Residenzstadt stets wieder erneuert werden.

Nach Andern wäre hier ein armer Perrückenmacher, der aus Armuth Botschaft lief, von einem Mörder umgebracht worden, und es geschehe die Erneuerung des Kreuzes stets auf Kosten der Perrückenmacher-Innung.

Quelle: Johann Georg Theodor Grässe: Der Sagenschatz des Königreichs Sachsen, Band 1. Schönfeld, Dresden 1874, Seite 198