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Der Spielmann am Niederpoiritzer Damm

  Poetisch behandelt v. Trautvetter bei Günther, Großes poet. Sagenbuch der Deutschen S. 55.

In der Nähe des Dorfes Niederpoiritz bei Pillnitz ist einmal ein Reitersmann erschlagen worden, und weil derselbe ohne Beichte und Absolution dahin gefahren, hat sein Geist keine Ruhe finden können und zur Mitternachtszeit die Vorübergehenden erschreckt.

Da ist einmal zu dieser Stunde ein Prager Fiedler dorthin gekommen, ein kecker Bursche, der den Teufel selbst nicht fürchtete, der hat sich an dem dort befindlichen Erlenbusche niedergesetzt, seine Fiedel zur Hand genommen, ein lustiges Stücklein gespielt und spottweise den spukenden Reiter zum Tanze geladen. Allein da hat sich ein solch unheimliches Geräusch in der Luft und den Gipfeln der hohen Bäume erhoben, daß dem kühnen Spötter angst und bange ward, er warf seine Fiedel auf den Rücken und lief, was er laufen konnte; allein der Spuckgeist war noch schneller, er hockte ihm auf und zwang ihn mit den Spornen zu laufen, bis ihm der Athem ausging.

Am andern Morgen fand man den Spielmann todt auf der Erde liegen; seit dieser Zeit aber sieht man dort zwei Gespenster, den Reiter und den Fiedler, welcher letztere auf dem dortigen Damme von zwölf Uhr Nachts bis zum Morgengrauen seine schauerliche Stücke aufspielen muß.

Quelle: Johann Georg Theodor Grässe: Der Sagenschatz des Königreichs Sachsen, Band 1. Schönfeld, Dresden 1874