<<< zurück | Der Sagenschatz des Königreichs Sachsen - Band 1 | weiter >>>

Der Nixenhügel bei Rossendorf

  Seidemann a. a. O. S. 48. sq. 
  Poetisch beh. v. Segnitz. Bd. I. S. 179. sq.

Zwanzig Minuten von Eschdorf, nahe an der Bautzner Straße liegt das Dorf Rossendorf, und zu diesem gehört der sogenannte Rossendorfer Teich, in welchem die Prießnitz entspringt, ein Flüßchen, welches am Lincke’schen Bade in Antonstadt-Dresden in die Elbe fällt und dessen Wasser höchst merkwürdige Heilkräfte auf Alle, die an Gicht und ähnlichen Krankheiten leiden, äußert und seine heilsamen Theile wohl meist aus dem Lager von bituminösem Holze zieht, das sich unter dem Teiche hin erstreckt.

Aus diesem Teiche, wo sich seit 1835 ein Inselchen mit einer Jagdhütte zum Schießen wilder Enten befindet, ragte aber schon früher eine Erhöhung hervor, auf der sich nach einer Sage von 1690 früher sogar eine Kapelle, ein Altar der h. Barbara befunden haben soll, was freilich wenig zu dem Namen, der Nixenhügel, welchen ihr das Volk gegeben hat, paßt. Die Entstehung desselben wird folgendermaßen erzählt. In der Heidenzeit hatten sich zu Eschdorf schon Christen angesiedelt, bei denen Tanz und Spiel gerade so Mode war, wie in unsern Tagen. Nun fand sich bei dergleichen Festen oft ein wundervoll schönes, Allen unbekanntes Mädchen ein, die äußerst knapp und reinlich gekleidet war, aber immer an ihrem Kleide einen nassen Saum hatte, als sei sie über thauige Wiesen gegangen.

Neid und Neugierde plagte die Dorfbewohnerinnen gewaltig, zu erforschen, wer wohl die fremde Tänzerin, die allen jungen Burschen den Kopf verdrehe, sein möge; allein Niemandem gelang es, den Schleier, der über ihrem geheimnißvollen Kommen und Gehen ruhte, zu lüften, bis das Mädchen einmal einem hübschen Jüngling auf vieles Bitten erlaubte, sie nach Hause zu begleiten. Das Mägdlein führte ihn über den Gückelsberg nach dem Rossendorfer Teiche, der damals ein großer See war, und an dem Ufer angelangt, wollte sie von ihrem Begleiter Abschied nehmen; da derselbe aber noch nicht scheiden mochte, so sprach sie: „nun wohl! heute Nacht ist mein Vater nicht daheim, Du magst mich also in unsere Hütte begleiten, kommt aber jener zurück und findet Dich, so ist es um uns beide geschehen.“

Der Jüngling ließ sich indeß nicht abschrecken, sie schlug also mit einer Ruthe ins Wasser und siehe, das Wasser theilte sich, so daß sie auf einem schmalen Pfade trockenen Fußes die Insel in der Mitte des Gewässers erreichen konnten. Hier angekommen, schlug das Mädchen abermals in das Wasser, und alsbald war der Pfad wieder verschwunden. Als der Morgen dämmerte, fing auf einmal der See zu brausen an, da rief die Nixe voll Schreck: „schnell verstecke Dich, mein Vater kommt, sonst sind wir verloren.“ Kaum hatte sie ihren Liebhaber in einen dastehenden Backtrog gesteckt, so trat ein riesiger Greis in die Hütte, die Tochter sprang ihm entgegen und suchte durch Liebkosungen ihre Angst zu verbergen, der alte Nix aber schnopperte überall herum und sprach finster: „es riecht mir hier nach Christen.“ Da entgegnete das schlaue Mädchen: „wo sollen denn hier Christen herkommen? ich rieche aber vielleicht nach Christen, denn ich gestehe, daß ich in Eschdorf ein wenig in Deiner Abwesenheit zu Tanze war.“

Der Alte schalt sie zwar etwas aus, allein er ließ sich doch endlich beruhigen, suchte nicht weiter, sondern warf sich auf sein Schilfbett, und bald verkündete ein heftiges Schnarchen, daß er entschlafen war. Als nun die Nixe ihrer Sache gewiß zu sein meinte, holte sie ihren Tänzer aus seinem Verstecke hervor und ließ ihn auf dieselbe Weise wieder entfliehen, wie er gekommen war; allein derselbe hatte an der einen angstvoll verlebten Nacht genug, er besuchte die Ufer des Sees nicht mehr, aber auch das Mädchen sah Niemand wieder.

Quelle: Johann Georg Theodor Grässe: Der Sagenschatz des Königreichs Sachsen, Band 1. Schönfeld, Dresden 1874