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Der Churfürsten Georg III. und IV. Bezauberung durch die Frau von Neitschütz

  Klotsch, Nachr. z. Sächs. Gesch. Bd. X. p. 396 ff. 
  Bülau, Geheime Gesch. Bd. III. S. 64 ff. 
  Vehse, Haus Sachsen Bd. IV. S. 177 ff. 
  Hitzig’ Annalen für die Criminalrechtspflege 1849. Bd. 49, S. 205 ff.

Die Frau von Neitschütz, eine geborene von Haugwitz, Mutter der bekannten Gräfin von Rochlitz, soll, wie aus den Untersuchungsacten, welche nach dem Tode ihrer Tochter über deren Verhältniß zum Churfürst Georg IV. geführt wurden, hervorgeht, eine arge Zauberin gewesen sein.

Es ward constatirt, daß sie Fledermausherzen unter ihrem Stuhle genagelt hatte, um im Spiele zu gewinnen, sie trug ihr Spielgeld in einem Beutel von Fledermaushäuten und soll einen Diebsdaumen gehabt haben. Sie pflegte Umgang mit einer gewissen Zauberin Namens Baumeisterin, der Hexe Margarethe aus dem Dorfe Zinnig im Spreewald, der Traummarie, dem Dresdner Scharfrichter Melchior Vogel und vier andern Zauberinnen.

Eine ihrer Vertrauten, Namens Krappin, soll ausgesagt haben, die Gräfin, sie und die Margarethe hätten durch Zauber den Churfürsten Georg III. umgebracht, indem sie (wahrscheinlich ein wächsernes Bild von ihm) ihn im Feuer getödtet, so daß sein Herz im Leibe gebrannt wie ein Licht: und allerdings fand sich auch bei der Section des Körpers sowohl das Herz als der ganze Leib blutleer.

Sie hat auch ihre Tochter gelehrt, gewisse Zaubercharactere, die ihr ihr Sprachlehrer Saladin mitgetheilt, sich mit einer Rabenfeder in die Hand zu schreiben, wenn sie den Churfürsten anrührte, und am Charfreitag in der Bartholomäuskirche zu Dresden ein Schächtelchen versiegelt und an sich genommen, worin sich verschiedene Gegenstände ihrer Tochter und des Churfürsten, die mit dessen Schweiß und dem Blute jener benetzt und in zwei Säckchen gewickelt waren, um die Liebe beider unauflöslich zu machen, befanden; vorher war es aber heimlich auf dem Altar, als man die Passion sang, gesetzt worden, um den Segen darüber sprechen zu lassen.

Bekanntlich starb nun die Rochlitz am 4. April 1694 an den Blattern und der Churfürst, von denselben angesteckt, folgte ihr am 27. April 1694, und kurz nach seinem Tode ward ein Hexenproceß gegen die Frau von Neitschütz eingeleitet, worin sie angeklagt ward, den Churfürsten Johann Georg III., um den Churfürsten Johann Georg IV. zur Regierung zu bringen, durch Zauberei ermordet, und diesem durch Zauberei Liebe zu ihrer Tochter eingeflößt zu haben.

In Folge davon ward der Leichnam der letztern aus der Hofgruft in der Sophienkirche ausgegraben, weil Verdacht vorhanden war, daß ihr von ihrer Mutter nicht blos das Portrait des Churfürsten mit einem gespaltenen Pensee-Bande, sondern auch in Papier eingewickelte Haare und das Haarband des Churfürsten, trotzdem daß dieses auf Anrathen des Leibmedicus der Leiche vorher abgenommen worden war, in den Sarg mitgegeben worden sei, und wirklich fanden sich, außer verschiedenen Ringen, am Kinne der Leiche einige braune Haare in ein Papier gewickelt, am Beine ein gelber Schwamm und am linken Arm ein schwarzes mit Atlaß überzogenes Haarband, das sehr fest umgestreift war, und hinter dessen Ellenbogen Sr. Churf. Durchlaucht Portrait an den vier Enden mit größern Diamanten besetzt, das mit einem ponceaufarbenen Bande stark verbunden, aber mit den weiten Aermeln wohl verdeckt war.

Daß mit allen diesen Dingen offenbar gewisse sympathische Wirkungen erzielt werden sollten, versteht Jeder, dem das sogenannte Bannen bekannt ist.

Der Proceß endigte auch mit der Verurtheilung sämmtlicher Inculpaten, die Traummarie ward dreimal gefoltert und kam an den Pranger, die Hexe Margarethe und der Scharfrichter starben, nachdem sie dreimal torquirt worden waren, im Gefängniß (1695), die alte Neitschütz aber, welche ebenfalls den ersten Grad der Tortur ausgestanden, starb erst lange nachher (1713), eigentlich straflos, weil ihr Proceß niedergeschlagen worden war, auf dem Gute Gaussig bei Bautzen.

Quelle: Johann Georg Theodor Grässe: Der Sagenschatz des Königreichs Sachsen, Band 1. Schönfeld, Dresden 1874, Seite 26