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Ein Gespenst zeigt sich dem Churfürsten Moritz und seinem Bruder

  G. Arnold, Beschreibung des Churfürsten Moritz. Gießen und Frankfurt. 1719. 8. S. 254 sq.

Jedermann weiß, daß der Churfürst Moritz und Markgraf Albrecht von Brandenburg, ehe sie mit unversöhnlichem Hasse gegen einander uneins wurden, in vertrauter Freundschaft lebten.

Als nun Churfürst Moritz einstmals zu Torgau seine Fastnacht feierte und seiner Gewohnheit nach den Markgraf Albert und Herzog August dazu eingeladen hatte, trug es sich an einem dieser Tage zu, daß, als der Markgraf sich wie gewöhnlich im Trinken etwas übernommen hatte und Churfürst Moritz nebst seinem Bruder neben ihm saß und von unterschiedlichen Dingen sich unterredete, eine weißgekleidete Jungfrau in’s Gemach trat und sich zwischen Markgraf Albert und den Churfürst niedersetzte.

Da aber Herzog Augustus solches zuerst sah und über die Gestalt des Gespenstes erschrak, so bat er seinen Bruder, er möchte doch mit ihm das Tafelzimmer verlassen, denn es ahne ihm nichts Gutes und er könne nicht länger hier bleiben. Darauf sah nun der Churfürst die Jungfrau auch, erschrak darüber und sprach zu Markgraf Albert: was habt Ihr hier für eine Jungfrau sitzen? Der antwortete ihm jedoch: laßt sie nur sitzen, und fluchte heftig über sie.

Da aber die beiden Fürsten von dem Markgrafen Abschied nahmen, verschwand die Frau auch. Markgraf Albrecht ließ sich aber das nicht anfechten, sondern blieb sitzen, ließ etliche vom Adel zu sich holen und brachte die Nacht, wie er angefangen hatte, mit Trinken zu.

Quelle: Johann Georg Theodor Grässe: Der Sagenschatz des Königreichs Sachsen, Band 1. Schönfeld, Dresden 1874, Seite 12