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Der falsche Friedrich auf dem Kiffhäuser

  Nach Gottschalk Bd. II. S. 273.

Der plötzlich in Italien erfolgte Tod des großen Kaisers Friedrich I. gab Veranlassung zu der Sage, daß er nicht wirklich todt sei, sondern noch immer unsichtbar umherwandele. Dies benutzend, fanden sich auch nach seinem Tode wirklich mehrere Gauner ein, welche sich für ihn ausgaben, aber wenig Glück machten. Der Letzte von ihnen trat im Jahre 1546 auf.

Er war seines Standes ein Schneider aus Langensalza. Dieser gerieth auf seinem Wanderleben auf den Kiffhäuser, und da er überall zu Hause war, so schlug er seine Wohnung in der Kapelle auf, die einige hundert Fuß tiefer auf einem Absatze des Berges steht, machte Feuer an und lebte hier drei Tage. Durch den aufsteigenden Rauch wurde sein Aufenthalt kund. Man stieg hinauf, um zu sehen, woher er komme, und siehe, da saß der Schneider am Feuer und schwatzte dem erstaunten Volke von seinen Königreichen und Kaiserthümern vor. Das Volk glaubte die Märe und schrie: »Kaiser Friedrich ist wieder da!«

Ein Graf Günther von Schwarzburg ließ aber den kaiserlichen Schneider beim Kopfe nehmen, ins Gefängniß setzen und bedeuten, daß es zwar Jedermann, selbst einem Schneider freistehe, sich bis zum Kaiser aufzuschwingen, daß aber auch der gehörige Nachdruck mit Armeen und Kanonen nicht fehlen dürfe, um sich auf diesem Posten zu erhalten.

Quelle: Johann Georg Theodor Grässe: Sagenbuch des Preußischen Staates 1–2, Band 1, Glogau 1868/71, S. 446