<<< vorherige Sage | XXVI. Erscheinungen | nächste Sage >>>

Jungfrau bittet um Erlösung

  Sandow

Eines Nachts stand ein Soldat Wache. Mit einem Male sah er ein schönes Mädchen vor sich stehen, bald aber war es wieder verschwunden. Als er das seinen Kameraden erzählte, sagten ihm diese, er solle, wenn das Mädchen wieder käme, dasselbe ausfragen. Und richtig, als der Soldat wieder auf Wache war, stand die Gestalt plötzlich vor ihm. Da sagte er: „Jch und alle guten Geister loben Gott, den Herrn!“ Die Gestalt antwortete: „Ich auch.“ Da fasste der Soldat Muth und fragte: „Was ist Dein Begehr?“ Das Mädchen antwortete: „Ich bin in der Verwünschung, Du sollst mich erlösen. Du musst Alles, was zu Dir kommt, es sei auch, was es wolle, umarmen und küssen“ Das versprach der Soldat. Darauf verschwand das schöne Mädchen.

Es dauerte aber nicht lange, so kam ein grosser, schwarzer Kater auf den Soldaten zu; der wurde immer grösser und grösser, bis er so gross war, wie der Soldat. Der Soldat aber küsste ihn nicht, sondern wich zurück. Darauf sah der Soldat plötzlich einen Bären vor sich, aber auch diesen umarmte und küsste er nicht. Da verschwand der Bär, und ein grosser Löwe stand an seiner Stelle. Aber auch vor dem wich der Soldat zurück. Da war plötzlich Alles verschwunden, der Soldat jedoch erhielt so furchtbare Schläge, er wusste nicht woher, dass er halb todt zu Boden fiel.

Quelle: Edmund Veckenstedt: Wendische Sagen, Märchen und abergläubische Gebräuche. Leuschner & Lubensky, Graz 1880