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Die alten Slaven-Götter gehen um

  Vetschau

In der Gegend von Mischen und Burg sollen vor grauen Zeiten, als die Gegend noch von Heiden bevölkert war, sich grossartige Verehrungsstätten der Slaven-Götter befunden haben. Die Landleute in dortiger Gegend erzählen, dass an gewissen Tagen die verzauberten Götter dort ihr Wesen treiben und in verschiedenen Gestalten gar Manchem erschienen sind.

Die Wahrheit dieser Erzählungen hat auch ein Student erfahren. Vor etlichen Jahren ritt nämlich ein solcher zur Nachtzeit von Burg nach Vetschau. Er musste an der betreffenden Stelle, da, wo eine Brücke ist, vorbei. Kaum war er auf der Brücke, so sprang eine verschleierte Dame von blendender Schönheit vor ihm auf das Pferd. Er hatte sich noch nicht recht von seinem Schrecken erholt, als er einen Ruck verspürte: er merkte, dass sich hinter ihm etwas bewege. Beim Umblicken schaute ihn ein grosses Schwein mit feurigen Augen an. Das Pferd bäumte, fing an zu schnauben und war nicht von der Stelle zu bringen. Dem Studenten standen die Haare zu Berge; von Schrecken übermannt, sprang er vom Pferde. Mit Mühe und Noth gelangte er nach Vetschau.

Quelle: Edmund Veckenstedt: Wendische Sagen, Märchen und abergläubische Gebräuche. Leuschner & Lubensky, Graz 1880