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Luzerner Hörner und Mordnacht

Da die Schweizer aufstanden und zu Felde zogen gegen ihre Unterdrücker, gebrauchten sie allerlei Kriegsinstrumente. So hatten die von Uri einen Mann, den hießen sie den Stier von Uri, der blies ein mächtig Urhorn, das mit Silber beschlagen war; und wenn man einen Keil ins Mundstück schlug, konnte man auch daraus trefflich trinken. Die Luzerner brauchten eherne Hörner, wie die alten Römer gebraucht, die hießen sie Harschhörner, und die hatte ihnen König Karl verliehen, als sie mit ihm in der Roncevaller Schlacht gestritten, wo Held Roland fiel.

Zur Zeit, als die Schweiz sich erhob, gab es in Luzern eine Partei, die war noch gut Oesterreichisch gesinnt, die erkannten sich an den rothen Aermeln, die sie an ihren Wämsern trugen. Die versammelten sich unter dem großen Schwibbogen an der Ecke der Schneiderzunftstube, und verabredeten, daß sie um Mitternacht alle Eidgenössischen überfallen und morden wollten. Ein Bettelbube vernahm's, ward aber entdeckt und mit dem Tode bedreut, wenn er nicht schweige; mußte deßhalb einen Eid schwören, da zechten noch viele Gesellen, und der Knabe legte sich auf die Ofenbank, und seufzte:

O Ofen, o Ofen, was muß ich dir klagen,
Wel ich's bei'm Leb sonst Niemand darf sagen.
Die Landsknecht wollen, wenns zwölfe wird schlagen
Alles ermorden und alles erschlagen.

Da horchten die Zecher hoch auf, und lief alsbald einer aufs Rathhaus, ein anderer zum Glöckner, daß er nicht Zwölfe anschlage, ein dritter und vierter und fünfter zu den Zünften, und kamen den Rothmänteln zuvor. Hernachmals ist das Bild des Knaben auf der Metzgerzunftstube hinter dem Ofen gemalt lange Zeit zu sehen gewesen.

Quellen: