Die unheimlichen Ritter

  Karl Guthausen

Auf der Burg Nideggen wurde ein großes Maskenfest gefeiert. Während im Rittersaal die Flöten und Geigen erklangen und der Schein vieler Kerzen durch die Burgfenster in die Dunkelheit fiel, näherten sich auf sonst unüblichen Pfaden zwei vermummte Reiter der Burg. Bevor sie den Festsaal betraten, banden sie noch einmal ihre Masken fest.

Unerkannt und fast unbeachtet mischten sich die beiden Ritter unter die Tanzenden. Alles war eitel Lebenslust und Freude.

Den einen Ritter fragte eine Tänzerin: „Was sind Eure Hände so weich und weiß und fiebrig!“ Doch sie erhielt keine Antwort. Ein Mädchen im Arm des anderen sagte: „Eure Hände sind so knochenhart, und warum klappern Eure Knochen?“ Die Gestalt antwortete: „Bald geht der Tanz zu Ende, und die Musik klingt aus. Bei der Demaskierung könnt Ihr sehen: zwei Ritter jung und schön.“

Dann kam die Demaskierung, und beim hellen Kerzenlicht sah man viele stolze Ritter und schöne Frauen aus dem nördlichen Eifelland. In der fröhlichen Runde standen Adlige aus Reifferscheid, Dreiborn, Wildenburg, Blankenheim, Kronenburg, Heimbach, Veynau, Herzogenrath und Merode. Viele stolze Mütter mit ihren schönen Töchtern spendeten Applaus. Auch manche Tochter eines Hüttenmeisters aus dem Schleidener Tal und die schöne Ivonne aus dem Roten Haus zu Monschau waren zum Maskenball erschienen. Bald wurde auf einen Wink der Gastgeberin, der Herzogin von Jülich, wieder zum Tanz aufgespielt.

Die beiden unheimlichen Gäste standen immer noch mit ihren Masken da. Voller Unmut rief die Herzogin, als sie es bemerkte: „Ihr Ritter, wollt Ihr immer noch nicht die Masken lüften? Es ist an der Zeit!“

Eilfertig riß darauf ein Edelfräulein dem einen Rittersmann die Maske ab, wich aber entsetzt zurück und hielt sich taumelnd an einer Säule fest. Das Gesicht des Ritters war bleich und voller Pocken und Narben. Mit zahnlosem Mund rief er mit heiserer Stimme: „Ich heiße hier im Land die Pest!“

Der andere Ritter riß sich selbst seine Maske herunter, zeigte sein bleiches Gebein und rief mit unheimlicher Stimme: „Ihr alle seid mein! Ich heiße hier im Land der Tod!“

Jetzt packte die Herren und Frauen das Entsetzen. Alles drängte zu den Saaltüren. Kein Ritter suchte sein Schwert, keiner faßte seine Dame, der das Herz im Leibe stehenbleiben wollte, an der Hand.

Wo sich vorher noch voller Freude die Tanzpaare im Kreise gedreht hatten, herrschte nun ein großes Gewirr. Weinkelche entfielen den Händen, Geschirr polterte auf den Boden, Tische und Stühle wurden umgestürzt und Flöten und Geigen lagen umher. Schließlich setzten umgefallene Kerzen die hölzernen Wände in Brand.

In der Eifel ging der Tod um. Mancher Ritter und manche Edelfrau wie auch hörige Bauern wurden im Nideggener wie auch Jülicher Land ein Opfer des „Schwarzen Todes“, der Pest.“ (n. V. Baur)

Quellen: Brandenburg, Franz J: Abenden – wie es war, Ein historischer Rundgang durch die Perle des Rurtals, Abenden 1997 & Brandenburg, Doris und Franz J.: Abenden – Daten zur Geschichte eines kleinen Rurdorfs am Rand der Nordeifel; Teil 1-3