Die Mergesjuffer

  Mündlich von vielen.

Ungefähr von der Mitte des Weges, der Leversbach und Boich verbindet, zieht sich ein tief eingeschnittener, von Bäumen und Gesträuch umsäumter, breiter Graben auf Uedingen zum Rurtale hin, der Mergegraben.

Im Volksmunde gilt er als sehr unheimlich, und noch heute beschleunigt der müde Wanderer seine Schritte, um vor Eintritt der Nacht aus dem Bereiche des verrufenen Ortes zu gelangen. Auch zur Mittagszeit „spok et do“. Nach 12 Uhr ist kein Pferd auf den angrenzenden Äckern zu halten, selbst die ruhigsten Tiere gebärden sich dann wie toll.

Ein ungesühnter Mord soll der Sage nach an dieser Stätte verübt worden sein. Es war Krieg im Lande, alle Dörfer lagen voll von Soldaten. Im Dorfe Boich hatte ein hoher Offizier Quartier genommen, dem eine wunderschöne Jungfrau auf Schritt und Tritt folgte. Keiner wusste, woher sie gekommen war, jeder aber merkte, dass die Gegenwart der Jungfrau dem Offizier unangenehm war.

Eines Tages soll er sie auf einem Spaziergange nach Leversbach ermordet und ihre Leiche im Mergegraben in der Erde verscharrt haben.

Seit dem Morde wandert ihr Geist dort um als eine in schneeweiße Gewänder gekleidete Jungfrau. Sie heißt die Mergesjuffer; nur einzelnen war sie sichtbar. Ein Greis behauptete fest, die Jungfrau in der Mittagszeit in einem prächtigen Gefährt gesehen zu haben.

Nach anderen erhob sich in der Nähe in uralter Zeit ein glänzender Bau, umgeben von Prachtgärten und Weinberganlagen. Wegen der Gottlosigkeit der Besitzer ging der Bau zugrunde und in der Nähe der Trümmerstätte wandelte seit dem Tage die Juffer um.

Quelle: Heinrich Hoffmann: „Von Römern, Rittern und ruschigen Juffern“ Zur Volkskunde des Jülicher Landes, Sagen aus dem Rurgebiet