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Der Wind und die Windin

  J. Kurth, Sonntagsbl. d. Preuß. Lehrerzeit., 1882, S. 468 (Nr. 30)

Vor etwa 40 bis 50 Jahren kannte man in der Gegend von Triebel noch die folgende Sage: „Es giebt einen Wind, der als Frau die Windin hat. Während der Wind stets geradeaus geht, ohne sich in Bäume und Sträucher zu verwickeln, kann die Windin bei keinem Baume, Strauche oder Heuhaufen vorbeikommen, ohne in diese hineinzufahren und sie tüchtig durchzuschütteln; daher kommt es auch, daß der Wind der Windin oft meilenweit voraus ist und oft sehr lange warten muß, ehe sie ihn einholt. Er ermahnt sie oft zur Eile; da sie aber nicht hört, so ist er oft unwillig und sperrt sie in ihrem Lager ein, so daß sie oft wochenlang still liegen muß, bis er, durch ihre Bitten bewogen, sie wieder frei läßt, worauf sie aber sofort ihr altes Spiel beginnt.

Aus dieser Sage erklärt sich der Ausdruck unseres Volkes, wenn dasselbe bei einem Wirbelwinde sagt: „Das war sie!„ Jetzt weiß allerdings kaum noch jemand die Ursache dieser Rede zu erklären.“

Quelle: Niederlausitzer Volkssagen vornehmlich aus dem Stadt- und Landkreis Guben, gesammelt und zusammengestellt von Karl Gander, Berlin, Deutsche Schriftsteller-Genossenschaft, 1894