Der kluge Mönch von Kamenz (Meiche)

Wie sich an vielen Orten in Sachsen, z. B. auf dem Sonnenstein, in der Ruine der Mönchskirche zu Budissin, auf der Ortenburg daselbst, in der S. Johanniskirche zu Zittau usw. hin und wieder ein gespenstiger Mönch zeigen soll, der durch seine Erscheinung stets der Stadt ein Unglück andeute, so soll auch in Kamenz zuweilen ein Franziskanermönch zu sehen sein, der sogar einmal die Buchstaben C. M. P. an das Klostertor angeschrieben habe, die man, da bald darauf die Pest erfolgte, als Camitia Misere Peribit (d. h. Kamenz wird elendiglich zugrunde gehen) deutete.

Viele halten ihn für den Erfinder des Schießpulvers Berthold Schwarz, dessen angeblicher Grabstein in der St. Annenkirche zu Kamenz eine Kanone ziert, und dessen Standbild an der Hausecke der Budissiner Gasse Nr. 91 angeblich zu sehen gewesen sein soll. Dies ist aber unmöglich, denn jene Grabstätte ist die eines Büchsenmeisters, Max Gottmann, der im Jahr 1508 hier verstarb, und jenes Standbild bezeichnet, dass der Besitzer dieses Hauses einst ein gewisser Hans Wagner († 1503) gewesen sei.

Daher muss jener Mönch wohl der unruhige Geist eines der letzten Mönche des aufgehobenen Franziskanerklosters zu Kamenz, Matthäus Rudolph sein, der, nachdem er zu Leipzig und Paris besonders Magie und Alchimie studiert, von seiner engen Zelle aus im Kloster St Anna in Kamenz, wo er von weit und breit Besuche von Armen und Reichen empfing, durch Formeln und Wundersprüche, aber auch mit Wurzeln, Steinen, Kräutern und Pflastern heilte.

Man suchte ihn jedoch nur in der Not auf, denn es ging von ihm das Gerücht, er habe sich dem Teufel verschrieben und dieser leiste ihm bei allen Heilungen getreuen Beistand. Am Sonnabend vor Lätare 1562 kehrte er aus Böhmen von einem Krankenbesuch zurück; da erhob sich auf einmal bei ganz heiterem Himmel ein furchtbares Gewitter, und in diesem kam der Mönch mitten auf der Straße um: angeblich hatte ihn der Teufel geholt.

Den Tag nach seinem Tode kamen aus Kamenz seine drei noch übrigen Ordensbrüder und holten seine Leiche in aller Stille auf einem Düngerwagen ab. Erst nach seinem Tode wagte man ihm den Prozess als Zauberer zu machen; seine Magd und ihr Sohn, die auf der Folter bekannt hatten, dass sie ihm beim Zaubern geholfen hätten, wurden 1564 hingerichtet.

Quelle: Alfred Meiche, Sagenbuch des Königreichs Sachsen, 1268 Sagen in 10 Kategorien, Leipzig 1903, Seite 533