Der Heiden-Tempel von Bonn

Das Bonner Münster ragt hoch über das Häusermeer der Stadt empor. In grauer Vorzeit stand hier ein Heidentempel, an dem an einem großen Opferstein die Ubier der Gegend ihren Göttern opferten. An diesem Altar mag mancher Kriegsgefangene und Sklave verblutet sein.

Als die heilige Helena, die Mutter des Kaisers Konstantin, nach Bonn kam, sank der Tempel in Trümmer. Die fromme Kaiserin ließ auch die Eichen fällen, die das Heiligtum der Heiden umgaben. Hier erhob sich bald zu Ehren des heiligen Cassius ein neues Heiligtum, eine Kirche.

Sooft ein Gewitter über das Bonner Land heraufzog, haben die Münsterglocken mit ehernem Mund die Leute drunten gewarnt, und jedes Mal vereinigte sich das Gebrüll des Donners mit ihrem metallenen Mahnruf. Besonders schauerlich ist’s am Münster, wenn um die Mitternachtsstunde ein Gewitter heraufzieht. Dann erheben sich beim ersten Donnerschlag von jener Stätte, wo einst ihr Tempel gestanden, die Geister der Götzendiener.

Quelle: Karl Guthausen: Sagen und Legenden aus Eifel und Ardennen, Band 2, Aachen 1994, Seite 170. Nach W. Ruland