Der große Brand von Nettersheim

Wenige Tage vor dem Weihnachtsfest des Jahres 1862, in der Nacht vom 19. zum 20. Dezember, wurde das Dorf Nettersheim von einer furchtbaren Brandkatastrophe heimgesucht.

Der damals noch kleine Ort zählte 95 Häuser und 450 Einwohner. In der kleinen alten Schule in der Nähe der Kirche unterrichtete Lehrer Johann Nelles 66 Kinder und erhielt dafür als Entgelt monatlich 6 Stüber von jedem Kind. Unter seinem Nachfolger Lehrer Giesen und dem Ortsvorsteher Anton Zimmermann wurde mit dem Bau einer neuen Schule begonnen, die beinahe fertig war. Der damalige Pastor war Pfarrherr Peter Josef Bremer.

Es war an jenem Dezemberabend schon sehr früh dunkel. Das Vieh in den Ställen war versorgt, und man saß in den Stuben eng um das wärmende Kaminfeuer versammelt. War in einem Hause eine große Stube, traf sich dort oft die ganze Nachbarschaft. Die Frauen haben dann fleißig am Spinnrad gesponnen und vom nahen Weihnachtsfest erzählt, während die Männer sich über Politik unterhielten und von Wölfen, die damals die Gegend noch unsicher machten.

Der schwarze Hund

Auch war man sehr abergläubisch, und mancherlei Zauber spukte noch in den Köpfen der Dörfler. Lag doch abends ein großer schwarzer Hund auf dem Brückensteg über der Urft und versperrte drei Dorfburschen, die auf Freiersfüßen gingen, den Weg zur Dorfschönen. Als ein beherzter Bursche mit einem Knüppel nach dem knurrenden Hund warf, hinkte dieser heulend davon. Im Hause der Braut angekommen hinkte die Alte des Hauses und hielt sich vor Schmerzen das Bein. Sie mochte die Burschen nicht leiden und hatte sich in einen Hund verwandelt.

Ängstlich rückte man bei solchen Geschichten näher am Kaminfeuer zusammen und erzählte sich vom berüchtigten Brandstifter, der um diese Zeit sein Unwesen trieb und Nettersheim in Schrecken hielt. Man wagte kaum seinen Namen zu nennen, aus Furcht, die Rache des Mannes könne diesmal das eigene Anwesen treffen. Öfters hatte man ihn aufgelauert. Starke Männer schleppten ihn sogar bei einer Mission bis vor den Beichtstuhl, damit er dort seine Schuld bekenne und von seiner bösen Leidenschaft befreit werde. Doch der Bösewicht blieb verstockt. Vor dem Beichtstuhl riss er sich aus den Armen der Männer und eilte aus der Kirche.

Draußen trieb ein stürmischer Nord-Westwind schwere dunkle Wolken über Dorf und Landschaft und rüttelte heftig an den Strohdächern der Häuser. Eis und Schneeschauer gingen nieder. Plötzlich ertönte wimmernd die Brandglocke: „Feuersnot!“ Das Dorf wurde aus seinem Schlaf gerissen. Verstört und geängstigt liefen die Einwohner des Dorfes aus ihren Häusern. Züngelnde rote Flammen warfen ihr gespenstisches Licht an die Fenster der Häuser: Die alte Schule im Oberdorf an der Kirche stand in hellem Brand. Da der Sturmwind ungünstig stand, fielen in dieser unseligen Naht 21 Wohnhäuser mit Scheunen und Stallungen den Flammen zum Opfer.

Das brennende Dorf bot ein grausiges Bild, wie eine Riesenfackel leuchtete es ins weite Winterland. Der Funkenregen der Strohdächer setzte immer neue Häuser in Brand. In diesem höllischen Inferno suchten die Bewohner zu retten, was zu retten war. Eine Feuerwehr gab es noch nicht, und die Brunnen waren bald geleert. Viele Menschen konnten kaum ihr dürftiges Hab und Gut dem Flammenmeer entreißen. Das Vieh, in aller Eile aus den Ställen getrieben, war sich selbst überlassen. Viele Tiere flüchteten mit versengtem Fell in wilder Panik in die umliegenden Wälder bis zur Ahekapelle und wurden erst nach Tagen gefunden.

Große Armut herrschte unter den abgebrannten Familien. Den Unglücklichen wurde jedoch schon bald geholfen. Aus den Nachbardörfern spendete man Lebensmittel und Futter für das Vieh. Der königliche Kammerherr, Landrat Graf von Beißel1), sorgte für eine Unterstützung seitens der Regierung. In einer Gemeinderatssitzung vom 31. Dezember 1862 unter dem damaligen Bürgermeister Pangert aus Blankenheim wurde ein Komitee unter den abgebrannten Familien gebildet. Philipp Bremer hatte für die richtige Verteilung der Spenden zu sorgen. Jede 'Familie erhielt eine Geldspende von 25 Talern, dazu Futter und Stroh.

In einer zweiten Sitzung vom 19. Januar 1863 wurde beschlossen, für jede Familie Bauholz zu schlagen zum Wiederaufbau der Häuser. Außerdem wurde jeder Familie Buchbrandholz extra zugeteilt. So wird man sich mit Mühe und Not durch den schweren Eifelwinter geschlagen haben, bis bald unter tatkräftiger Hilfe der Mitmenschen der Neuaufbau der eingeäscherten Häuser begann.

Unseliges Ende an der Gronrechsmühle

Wieder hatte der unheimliche Brandstifter sein böses Werk getan. Alte Leute erzählten, es sei ein Aufruf erlassen worden, wer seiner habhaft würde, könnte ihn umbringen. Bald fand auch der Brandstifter ein unseliges Ende. Ein Bauer entdeckte ihn beim Düngerfahren im Wehr der alten Gronrechsmühle im Rosenthal. Mit einem Düngerhaken zog er die Leiche aus dem Wasser und lud sie auf seinen Wagen. Mit verbundenen Augen hatte sich der Übeltäter ertränkt. Er wurde ohne christliches Begräbnis in einer Ecke des alten Friedhofs begraben.

So endete der Brandstifter von Nettersheim, der vor 100 Jahren sein Unwesen trieb und große Not über seine Mitbürger gebracht hat.

Quelle: von Friedrich Jakob Schruff, Nettersheim, Heimatkalender Schleiden 1966


1)
Richard Graf Beißel von Gymnich war von 1829 bis 1863 Landrat des Landkreises Schleiden. Quelle: Wikipedia