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Der geheimnisvolle Gedingarbeiter

Lange Jahre haben ein paar Kameraden auf einem Geding gearbeitet und sich dabei nicht zu Tode gequält. Besonders der eine, welcher immer später angefahren ist als der andere, der es nicht besser hat haben wollen. Ist er hineingekommen, so hat sein Kamerad jedes Mal schon so viel herausgehabt, dass große Felsmassen dagelegen haben, und mit Entzweischlagen und Aufräumen der Erze ist die Schicht zu Ende gebracht worden.

Bisweilen hat dann dieser den Ersten wohl gefragt, wie er nur das so leicht heraus bringen könnte. Dann hat er aber zur Antwort gekriegt, das ginge ihm nichts an. Er solle die guten Tage genießen und ihn deshalb nicht fragen, auch ihm nicht neugierig nachgehen oder belauschen. Täte er das, so wäre es aus mit ihnen, und er müsse dann wieder den Bohrer gerben, und was außerdem noch geschähe, würde sich finden. So geht denn eine Woche, ein Quartal und ein Jahr nach dem anderen hin, ohne dass der später anfahrende Gedingarbeiter neugierig über des Anderen Tun wieder nachgedacht, vielweniger denselben beobachtet oder belauscht hätte.

Da aber ist es eines Morgens, dass er einen unwiderstehlichen Drang fühlt, aufstehen und anfahren zu müssen, ehe die gesetzte Zeit da ist. Er denkt gar nicht an das Verbot des Kameraden, zieht sich an und fort geht es zu der Grube hin. Das Licht wird angesteckt und mit einer Hast, als würde er an Haaren fortgezogen, eilt er in den Schacht hinab und auf der Strecke fort, die zu seinem Geding führt. Dreißig Schritte von diesem entfernt bleibt ihm aber vor Schreck der Atem stehen, denn er sieht einen wütend großen Ochsen vor seinem Geding mit den gewaltigen Hörnern immer ins Gestein hineinrennen und große Felsstücke herauswühlen. Endlich steht das Tier einen Augenblick still und neue Verwunderung: Der Ochse verwandelt sich in einen Menschen und ist wieder der andere Kamerad. Jetzt kann sich der Beobachter nicht mehr halten, er geht hin und spricht zu seinem Kameraden: »Jetzt habe ich gesehen, wie du das harte Gestein herauskriegst. Das ist kein Wunder, wer solche Kräfte und Zaubergewalt besitzt, der kann sich schon helfen.«

Doch der Zauberer antwortet: »Wärst du nicht durch eine geheime Macht hierhergekommen, so würde ich dich schlimm behandeln müssen, doch da du unschuldig daran bist, so wird dein Vergehen nur dadurch bestraft, dass du von jetzt an deine Arbeit allein und dein Geding mit großer Anstrengung herausmachen musst. Es gehe dir wohl!«

Damit ist er verschwunden und niemand hat gewusst, wo er geblieben ist. Von der Zeit an hat aber der Gedingarbeiter seine Löcher bohren und sich sauer quälen müssen. Da hat er denn oft gesagt: »Hätt’ ich doch meinen Kameraden noch, ich würde ihm nie nachgehen, ihn nie belauschen, mein Lebtag nicht. Ja, es sollten mich keine zehn Pferde dahin bringen.

Quelle: Sagen und Märchen aus dem Oberharz, gesammelt und herausgegeben von August Ey im Jahre 1862