Das Zubbeldiehr

Vor 50 Jahren war der Alsdorfer Brühl, die heutige Brühlstraße, nur ein schmaler Gehweg. Dichte Buchenhecken, durchwachsen von Heckenrosen, Weißdorn und Eschen säumten ihn ein. In der Höhe, etwa drei bis vier Meter, einte sich alles Gesträuch zu einem Laubendach. Zur Brutzeit nisteten im Heckendickicht Amseln, Rotschwänzchen, Zaunkönige, Rotkehlchen und Grasmücken - in Alsdorfer Mundart „Jrastatsch” genannt - und dazu auf und unter den Blättern Schnecken in ihren bunten Häuschen.

An einer Seite lief zwischen Hecke und Wege ein Flutgraben, der das Wasser von Annastraße, Kirchstraße (heute Cäcilienstraße), Castorstraße, Eckstraße, Burgstraße, dem Oidtweiler Flutgraben zuführte und häufig zum Gießbach anschwoll. Für uns Kinder war der Brühl voller Erlebnisse. Wenn aber die Nacht ihn in undurchdringliche Finsternis hüllte, trieb ein greuliches, zottiges Ungetüm mit Wolfsrachen und Kalbsfüßen hier sein Unwesen. Das war das Zubbeldiehr. Im dichten Gestrüpp der Hecken lauerte es den Menschen auf. Niemand wollte am Abend mehr durch den Brühl gehen. Denn das Zubbeldiehr sprang jedem auf den Rücken, ließ ihn nicht los, bis der Betreffende zu Hause war. Dann war es aber ganz plötzlich verschwunden.

Eines Abends kam ein Mann spät von Oidtweiler nach Hause. Um den Weg abzukürzen, ging er durch den Brühl. Da sprang ihm das Zubbeldiehr auf den Nacken. In seiner Angst fing der Mann an zu laufen; er schwitzte fürchterlich. Kein trockenes Haar war auf seinem Kopfe. Aber das Zubbeldiehr ließ ihn nicht los. Seine Last wurde immer größer und schwerer, bis der Mann vor seiner Haustür anlangte. Da ließ das Zubbeldiehr ihn auf einmal los.

Beim zweiten Mal ging der Mann früher als das erste Mal durch den Brühl. Da sah er das Zubbeldiehr schon in der Hecke sitzen. Es sprang ihm in den Nacken und ließ sich von ihm nach Hause tragen. Als der Mann ein drittes Mal nachts durch den Brühl gehen mußte, nahm er vorher zu Hause Weihwasser, und er sah nichts mehr vom Zubbeldiehr.

Quelle: Inhaltlich mitgeteilt von Heinrich Kempchen, Alsdorf; alsdorf-online.de