Buch: "Die Calauer Schweiz" | Der goldene Born >>

Das graue Männlein in den Freibergen

Die Freiberge sind ein Waldstück auf einem Höhenzug etwa zwei Kilometer südlich von Plieskendorf. Einst gab es dort ein Dorf mit vielen wohlhabenden Leuten. Aber eines Tages wurden sie von der Pest dahingerafft. Das Dorf verfiel, die Reichtümer wurden unter den Trümmern der Häuser begraben. Bäume und Gras überwucherten alles, so dass niemand mehr genau weiß, wo der Ort sich befand.

Die Schätze aber bewacht ein graues Männlein, das niemanden an den geheimen Ort heran lässt. So mancher, der sich aufmachte, um nach den Schätzen zu graben, musste sein Vorhaben mit dem Leben bezahlen oder wurde vom grauen Männlein in die Irre geleitet. Diese Unglücklichen fanden erst nach langer Zeit hungrig und zerschlagen den Weg nach Hause. Auch ein Junker aus der Gegend, ein habgieriger und hartherziger Mann, hörte von den Schätzen und begab sich eines Morgens in die Freiberge. Den ganzen Tag irrte er durch den wilden Forst und konnte nichts finden.

Als es dunkel wurde, sah er nicht fern einen gleißenden Schein aus dem Boden kommen. Hastig eilte er dorthin und stand plötzlich vor einer Höhle, aus der das Licht kam. Als er sich hineingezwängt hatte, sah er, dass das Leuchten von Goldstücken kam, die verstreut auf dem Boden lagen. Gierig raffte er die Dukaten zusammen. Da stand auf einmal das graue Männlein vor ihm und rief mit Zornesröte im Gesicht: „Weil du ein arger Leuteschinder und Blutsauger bist, sollst du diese Höhle nie mehr verlassen!„ Und schon war es wieder verschwunden. Mit großem Getöse schloss sich der Berg über dem Junker, und er ward nie wieder gesehen.

Quelle: Günter Kalliske, Die Calauer Schweiz, REGIA-CO-WORK, 2019