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Den Stärksten des Dorfes aufs Kreuz gelegt

  Fehrow

Einst ging ein junger Bauer auf dem Damm nach Hause, welcher von Fehrow nach Striesow führt. Wie er so einherschritt, erblickte er plötzlich ein kleines Männchen neben sich. Der Bauer sah den kleinen Kerl an, darauf sagte er zu ihm: „Wenn Du mit mir gehen kannst, so magst Du auch mit mir reden. Woher kommst Du?“ Der Kleine erwiederte aber kein Wort. Da wurde der Bauer ärgerlich, fasste den kleinen Mann und wollte ihn zu Boden werfen. Im nächsten Augenblick aber lag er selbst schon am Boden und fühlte sich von dem Kleinen an der Erde festgehalten. Da liess der Bauer den Kleinen los; sogleich war er auch frei.

Darauf stand der Bauer auf und setzte seinen Weg fort. Es dauerte aber nicht lange, so folgte ihm der Kleine wieder. Der junge Bauer wurde noch viel ärgerlicher, ging aufs Neue auf den Kleinen los, und wollte ihn niederringen, aber kaum hatte er denselben berührt, so lag er selbst wieder auf dem Rücken. Erst als er den Kleinen losgelassen hatte, konnte er wieder aufstehen. Der Bauer ging wieder seiner Wege und wieder sah er, dass der Kleine ihm folgte. Da wetterte und fluchte er in hellem Zorne und rief: „Ich bin der Stärkste im Dorfe und soll nicht einmal mit Dir fertig werden können. Du verfluchter, kleiner Kerl“ und aufs Neue machte er sich an den Kleinen. Aber kaum hatte er diesen berührt, so lag er selbst schon wieder auf dem Rücken. Nun sah er wohl, dass er dem Kleinen nichts anhaben könne, und trotzdem ihm dieser wieder folgte, so beachtete er das doch jetzt nicht mehr. Der Kleine war auch verschwunden, als er in Striesow ankam.

Als er den Bauern erzählte, was ihm begegnet war, sagten ihm diese, es sei Unrecht gewesen, dass er auf den Kleinen geflucht und Hand an ihn gelegt habe; er könne nur froh sein, dass er mit dem Leben davon gekommen sei. Darauf ass und trank der Bauer und erzählte, er müsse noch nach Dissen. Er liess sich auch von seinem Vorhaben trotz alles Abredens nicht abbringen; darauf erbot sich ein alter Bauer, er wolle ihn begleiten. Nachdem beide eine Strecke gegangen waren, sahen sie viele Bludniks, welche immer auf und nieder stiegen und sie im Kreise umspielten. „Siehst Du,“ sprach der alte Bauer zu seinem Begleiter, „jetzt hat das Männchen sich in einen Bludnik verwandelt und seine Gefährten herbeigeholt. Fluche ihnen ja nicht wieder.“ Da merkte der Bauer, dass er einer grossen Gefahr entronnen sei und hat auch nie wieder auf die Bludniks geflucht.

Quelle: Edmund Veckenstedt: Wendische Sagen, Märchen und abergläubische Gebräuche. Leuschner & Lubensky, Graz 1880