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Das Teufelsloch

Vom schweizerischen Sargans zieht eine mächtige Gebirgskette längs des linken Rheinufers herab nach Werdenberg und weiter nach Sennwald, wo sie sich in das Kamorgebirge fortsetzt. In der Gegend über Sax und Gams erhebt sich auf dem Rücken dieses Gebirgszuges wie ein riesiger Tafelaufsatz eine senkrecht stehende Felsenwand, in der Mitte mit einem Loch, das durch die ganze Dicke der Wand geht, sodass, wenn abends die Sonne hinter dieselbe zu stehen kommt, ihre Strahlen wie eine goldene Garbe durch die Felsenöffnung dringen, was einen sehr überraschenden Anblick gewährt. Vom rechten Rheinufer, namentlich von der Lichtensteinischen Pfarre Bendern aus, erscheint die Öffnung dem freien Auge rund und ungefähr 7 Zoll weit im Durchmesser, mit einem Tubus besehen aber bei 30 Schuh hoch und nach oben zugespitzt.

Über die Entstehung dieser Öffnung in der Felsenwand meldet die Sage: Ein Bauer verpfändete dem Teufel seine Seele, wenn er – der Teufel – das ganze Schäner Ried an einem Tag abmähe und einbringe; doch sollte die Arbeit vor dem Abendläuten vollendet sein, widrigenfalls der Vertrag keine Gültigkeit mehr hatte. Der Teufel war schon bis zum Binden des letzten Fuders gekommen, als plötzlich und unerwartet die Abendglocke vom Benderer Kirchturm ertönte. Im größten Zorn über die mühevolle, beinahe vollendete und doch vergebliche Arbeit und in bitterem Verdruss, dass ihm des Bäuerleins arme christliche Seele entgangen war, fasste der Teufel den Wiesbaum und schleuderte ihn mit so riesiger Gewalt von dannen, dass er wie ein mächtiger Pfeil die Breite des Tales durchfuhr, über den Rheinstrom flog und im jenseitigen Gebirge die bezeichnete Öffnung schlug, die man von der Zeit an das Teufelsloch nannte.

Quelle: Friedrich Wrubel, Sammlung bergmännischer Sagen, 1883