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Der goldene Schacht in Reichenbach

In Reichenbach im Schacht wächst falbes Gold zuhauf.
Der Fleiß, die Mühe brachte ans Tageslicht es herauf.
Stets hundert Mann im Stollen, die fuhren ein und aus,
des typ:erz|Erzes viel zu holen, und hundert ruhen aus.

Den goldenen Esel finden, zu heben ihn empor,
Das hoffen sie in Sünden: Sein Ohr lugt schon hervor.
Es pfeift der Geist im Berge entsetzensvoll und graus,
Es heulen schwarze Zwerge und löschen Lampen aus.

Doch hundert Mann im Stollen arbeiten immerzu,
Das goldene Tier zu holen, und hundert haben Ruh.
Und draußen toben Stürme, der Hase läuft bergan;
Es schwanken Haus und Türme und Glocken schlagen an.

Sie schlagen laut und helle, jetzt neunundneunzigmal,
Es banget jeder Seele ob dieser Glocken Schall.
Die Menschen gehen, schwanken; die Erde zittert, bebt;
Mit schrecklichen Gedanken ist jede Brust belebt.

Doch hundert Mann im Stollen arbeiten immerzu,
Das goldene Tier zu holen, und hundert suchen Ruh.
Und als sie ihn gehoben, den Esel, golden schwer,
Und einer führt nach oben, Musik zu holen her,

O weh … da bricht die Erde, es fällt der Esel schwer,
Und neunundneunzig Menschen sind leblos … sind nicht mehr.
Seitdem ist nun im Schacht kein falbes Gold zuhauf.
Der Fleiß, die Mühe brachte nur Gift statt Gold herauf.

Quelle: Friedrich Wrubel, Sammlung bergmännischer Sagen, 1883