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Verschüttete Silbergruben

Die reichsten Silberbergwerke am Harz waren die schon seit langen Jahren eingegangenen beiden Gruben: der große Johann und der goldene Altar. Davon geht folgende Sage: Vor Zeiten, als die Gruben noch gebaut wurden, war ein Steiger darüber gesetzt. Der hatte einmal, als die Ausbeute groß war, ein paar reiche Stufen beiseitegelegt, um, wenn der Bau einmal schlechter und ärmer würde, damit das Fehlende zu ersetzen und immer gleichen Gewinn hervorzubringen. Was er also in guter Absicht getan hatte, das wurde von anderen, die es bemerkt hatten, als ein Verbrechen angeklagt und er zum Tode verurteilt. Als er nun niederkniete und ihm das Haupt abgeschlagen werden sollte, da beteuerte und beschwor er nochmals seine Unschuld und sprach: »So gewiss bin ich unschuldig, dass mein Blut sich in Milch verwandeln und der Bau der Grube aufhören wird. Wann dem gräflichen Haus, dem diese beiden Bergwerke zugehören, ein Sohn geboren wird mit Glasaugen und mit Rehfüßen, und er bleibe am Leben, so wird der Bau wieder beginnen. Stirbt er aber bald nach seiner Geburt, so bleiben sie auf ewig verschüttet.

Als der Scharfrichter den Hieb getan und das Haupt herabfiel, da sprangen zwei Milchströme statt des Blutes schneeweiß aus dem Stumpf in die Höhe und bezeugten seine Unschuld. Auch die beiden Gruben gingen alsbald ein. Nicht lange danach wurde ein junger Graf mit Glasaugen und Rehfüßen geboren, aber er starb gleich nach der Geburt, und die Silberbergwerke sind nicht wieder aufgetan, sondern bis auf diesen Tag verschüttet.

Quelle: Friedrich Wrubel, Sammlung bergmännischer Sagen, 1883