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Die Goldgruben im Fichtelgebirge

Im Fichtelgebirge liegen ungeheure Schätze verborgen. Geister schalten und walten darüber. Wie der Eingang zu diesen nie versiegenden Goldgruben zu gewinnen ist, lehrt folgende Erzählung eines Anwohners dieses Gebirges.

Jüngst war ich bei einem Familienfest in einem Dörfchen auf dem Fichtelgebirge. Da lernte ich einen Offizier kennen, der den letzten amerikanischen Krieg mitgemacht hatte. Ich fand bald an ihm einen sehr unterrichteten Mann, der mich angenehmer unterhielt, als es Spiel und Tanz, womit die Gesellschaft beschäftigt war, getan haben würden. Unter anderen teilte er mir folgende Erzählung mit:

»Zu Beginn des amerikanischen Krieges stand ich als Sergeant bei den Feldjägern der Anspach-Bayreuthischen Hilfstruppen, welche damals der Markgraf Alexander in englischen Sold gegeben hatte. Auf unserem Heimweg nach Deutschland wurden wir in die Nordsee verschlagen. Entblößt von allen Lebensmitteln waren wir in einer traurigen Lage. Ich wurde beordert, mich nach Lebensmitteln umzusehen, und sah mich zu diesem Zweck genötigt, nach Bremen zu fahren.

Ich wurde bei einem Kaufmann einquartiert, der ein ungefähr siebzehn Jahre altes Mädchen bei sich hatte, welches von der Gicht ganz gelähmt, gekrümmt und entsetzlich gequält wurde. Es war seines Bruders Tochter, die sich, der ärztlichen Hilfe halber, zu der Stadt begeben hatte. Bisher waren alle Versuche vergebens gewesen, und die junge Leidende war immerfort an ihr Lager gefesselt. Dieses traurige Schicksal störte die Zufriedenheit der Familie sehr, welche außerdem alle Ansprüche auf Lebensgenuss hatte. Sie war sehr wohlhabend, ja sehr reich zu nennen. Dieser Reichtum schrieb sich von der Mutter, einer geborenen Venetianerin, her. Ursprünglich aber stammte er von dem Fichtelgebirge, von wo er nach Venedig gekommen war.

Durch einen sonderbaren Zufall befinde ich mich nun schon seit geraumer Zeit im Besitz eines Mittels gegen die Gicht, das, so oft ich es auch anwendete, nicht ein einziges Mal ohne die besten Wirkungen war. Ich äußerte darüber einige Worte gegen meinen Hauswirt und erbot mich zugleich, es bei seiner Nichte anzuwenden, wenn er Zutrauen, nicht zu mir, sondern zu meinem Mittel haben könne. Er ging sogleich darauf ein und zeigte mir dabei besonders deshalb ein ganz seltenes Zutrauen, weil ich vom Fichtelgebirge gebürtig war, welche Gegend im ganzen Haus als die Quelle seines Reichtums geliebt, ich möchte sogen, geachtet wurde. Ich wendete also mein Mittel an und hatte binnen acht Tagen die Freude, das liebe Mädchen so wohl zu sehen, wie es, nach der Versicherung der Verwandten, seit drei Jahren nicht gewesen war.

Durch Zufall verlängerte sich mein Aufenthalt in Bremen, und ich sah nun meine Patientin mit jedem Tag gesünder werden. Sie ging wieder allein, die Schmerzen peinigten sie nur noch selten, und die Farbe der Jugend vertrieb schon die Totenblässe auf ihren abgezehrten Wangen. Welch wohltuendes Gefühl mir die ganz unbeschreibliche Freude dieser ganz achtungswerten Familie war, können Sie sich leicht denken. Dem Vater des Mädchens war sogleich Nachricht gegeben worden, und seine Freude war grenzenlos.

Als einmal wieder ein Brief von ihm anlangte, kam mein Wirt damit auf mein Zimmer, las mir Stellen daraus vor und legte zugleich ein versiegeltes Päckchen mit Gold auf meinen Schreibtisch, welches sein Bruder ihm aufgetragen hatte, mir auszuhändigen. Meiner Weigerung, es anzunehmen, musste er endlich nachgeben. Er steckte es wieder ein. Aber nun zog er einige Papiere hervor und sagte mir dabei. »Wollen Sie jenes Geschenk nicht annehmen, so werden Sie doch hoffentlich diese Papiere nicht zurückweisen. Ich habe meinem Bruder geschrieben, dass Sie vom Fichtelgebirge gebürtig sind. Da hat er mir diese vom Fichtelgebirge handelnden Papiere geschickt, um sie Ihnen zu übereignen. Sie rühren von den Vorfahren seiner Gattin her. Lange hatte er den Vorsatz selbst, eine Reise auf dieses in unserer Familie hoch geschätzte Gebirge zu machen, allein jetzt hat er ihn aufgegeben. So wunderbar Ihnen auch der Inhalt dieser Papiere vorkommen wird, so brauchen Sie doch nicht an seiner Richtigkeit zu zweifeln. Auf diesem Weg holten die Vorfahren der Gattin meines Bruders ihren Reichtum vom Fichtelgebirge. So wahr, sagte er mit einem Blick zum Himmel empor, so wahr Sonne, Mond und Sterne am Firmament glänzen, so wahr sind alle darin angeführten Tatsachen!

Ich besitze diese Papiere und halte sie hoch.«

Der Offizier teilte mir darauf das Wesentlichste davon mit. Er tat dies nicht etwa scherzweise, sondern im ernsten Ton eines Zeugen der Wahrheit. Folgendes ist es: Wer die im Inneren des weitläufigen Fichtelgebirges verborgenen Schätze heben will, muss zuerst den rechten Eingang in das Gebirge wissen. Diesen findet man aber auf der südwestlichen Seite am Goldberg, oberhalb dem Städtchen Goldkronach. Da ist eine vom Wasser gerissene tiefe Bergschlucht. In dieser geht man entlang bis an das erste Gebüsch. Da hebt man drei Steinchen auf, wie sie sich ungesucht darbieten, und steckt sie zu sich. Nun geht man in gerader Linie weiter und trifft eine Buche, welche die Dicke eines Kopfes neunmal im Umfang hat und dabei ein Zeichen enthält, das auf einen alten großen Baumstamm hindeutet, der einen unterirdischen Gang bedeckt. Wenn man nun auf dieser Stelle die mitgenommenen drei Steinchen auf die Erde wirft, so kommt aus dem alten Baumstamm ein Wesen hervor, das wie ein großer Affe aussieht. In der Hand hielt es ein Bund alter verrosteter Schlüssel, öffnet damit die Tür zu dem unterirdischen Gang und geht voraus. Man kann ihm getrost folgen, denn es ist ein ganz unschädliches Wesen und leitet sicher. Nach einer Strecke Weges gelangt man zu einer großen, mit starken Schlössern verwahrten Tür. Die öffnet der Affe.

Sie ist der Eingang in ein geräumiges Gewölbe. Von der Decke herab hängt eine brennende Lampe, die den Ort mit einem matten Schimmer erhellt. Rings umher liegen geharnischte Männer im tiefsten Schlaf. Zur rechten Seite dieses Gemaches öffnet der Affe wieder eine eiserne Pforte. Diese führt in die Fortsetzung des verborgenen Ganges, durch den man nach einer ziemlichen Weile in einen großen Saal gelangt. Hier steht in der Mitte ein runder Tisch mit drei Wachskerzen, wovon aber gewöhnlich die mittlere nur brennt. Man nähert sich dem Tisch, rupft sich einige Haare vom Kopf aus, hält sie an die nicht brennenden Kerzen, und augenblicklich brennen sie und geben den hellsten Schein von sich. Zwischen den Wachskerzen erblickt man ein aufgeschlagenes Buch, dabei eine Schreibfeder und ein feines Federmesser. Mit Letzterem muss man sich an einer beliebigen Stelle seines Körpers verwunden, in das hervorkommende Blut die Feder tauchen und damit seinen Namen in das Buch einschreiben.

Der Affe, der mit einer Kerze in der Hand dieses Geschäft ruhig abwarten wird, führt sodann aus diesem Saal in ein neues Gewölbe. Von dessen Mitte herab hängt an einer Kette ein Beil, das durch ein Schloss festgehalten wird. Er öffnet mit einem Schlüssel seines Bundes dieses Schloss, nimmt das Beil heraus und öffnet nun abermals ein neues Gewölbe. Dies besteht aus gediegenem Gold. Decke, Wände, Boden, alles ist Gold, und allerlei Formen und Figuren haben sich durch zusammengeflossenes Gold gebildet. Der Affe stellt jetzt die Kerze hin, legt seinen Bund Schlüssel dazu und überlässt nun den erstaunten Fremdling seiner eigenen Tätigkeit. Dieser kann sich nun mit dem Beil so viel Gold abschlagen und abhauen, wie er glaubt, mit sich nehmen zu können. Mehr nehme er aber nicht, denn das bleibt kein Gold. Hat er sich nun hinreichend versehen, so trete er den Rückweg an.

Er vergesse aber Folgendes nicht: Er nehme die Kerze und die Schlüssel zu sich, schließe jede Tür sorgfältig wieder zu, lösche die beiden vorhin angezündeten Kerzen im Vorsaal wieder aus und lege alles an seinen gehörigen Ort. Versäumt er hiervon nichts, so wird er unversehrt und wohlbehalten wieder herauskommen ans Tageslicht. Wer nicht Mut genug haben sollte, diese Probe zu bestehen und bis in den Goldsaal zu gehen, der nehme wenigstens vor der Höhle des Berggeistes so viel Sand zu sich, wie er fortbringen kann. Er ist auch gut und goldhaltig, nur hat man dabei noch die Mühe des Schmelzens. Mit verdicktem Drachenblut wird das Erz am leichtesten geschieden. Man dreht Kugeln davon und wirft sie in den Goldsand. Diese Kugeln ziehen das edle Metall heraus und verwandeln sich dadurch in gediegene Goldkugeln. Wie oft man einen solchen Gang in diese nie versiegenden, immer wieder zunehmenden Goldkammern wagen darf, davon enthielt jener schriftliche Aufsatz nichts. Ein einziger Gang macht aber schon so reich, dass man auch für die längste Lebenszeit genug haben kann.

Quelle: Friedrich Wrubel, Sammlung bergmännischer Sagen, 1883;