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Der Berggeist arbeitet für ehrliche Bergleute und giebt ihnen Oel auf ihre Lampen

Zwei Bergleute arbeiteten immer gemeinschaftlich. Einmal, als sie anfuhren und vor Ort kamen, sahen sie an ihrem Geleucht, dass sie nicht genug Öl zu einer Schicht auf den Lampen hatten.

»Was fangen wir da an?«, sprachen sie miteinander. »Geht uns das Öl aus, sodass mir im Dunklen sollen zu Tage fahren, sind wir gewiss unglücklich, da der Schacht schon ohnedies gefährlich ist. Fahren wir aber jetzt gleich aus, um von Zuhause Öl zu holen, so straft uns der Steiger, und das mit Lust, denn er ist uns nicht gut.«

Wie sie so besorgt standen, sahen sie ganz fern in der Strecke ein Licht, das ihnen entgegenkam. Anfangs freuten sie sich, als es aber näher kam, erschraken sie gewaltig, denn ein ungeheurer, riesengroßer Mann ging, ganz gebückt, in der Strecke herauf. Er hatte eine große Kappe auf dem Kopf und war auch sonst wie ein Mönch angetan, in der Hand aber trug er ein mächtiges Grubenlicht. Als er bis zu den beiden, die in Angst dastanden, geschritten war, richtete er sich auf und sprach: »Fürchtet euch nicht, ich will euch kein Leid antun, vielmehr Gutes.« Er nahm ihr Geleucht und schüttete Öl von seiner Lampe darauf. Dann aber ergriff er ihr Gezäh und arbeitete in einer Stunde mehr, als sie selbst in der ganzen Woche bei allem Fleiß herausgearbeitet hätten.

Nun sprach er: »Sagt’s keinem Menschen je, dass ihr mich gesehen habt«, und schlug zuletzt mit der Faust links in die Seitenwand. Sie tat sich auf und die Bergleute erblickten eine lange Strecke, ganz von Gold und Silber schimmernd. Weil der unerwartete Glanz ihre Augen blendete, so wendeten sie sich ab. Als sie aber wieder hinschauten, war alles verschwunden. Hätten sie nur ihre Pielhacke (Hacke mit Beil) oder sonst irgendeinen Teil ihres Gezähes hineingeworfen, so wäre die Strecke offengeblieben und ihnen viel Reichtum und Ehre zugestoßen. Aber so war es vorbei, wie sie die Augen davon abgewandt hatten.

Doch blieb ihnen auf ihrem Geleucht das des Berggeistes, das nicht abnahm und darum noch immer ein großer Vorteil war. Aber nach Jahren, als sie einmal am Sonnabend mit ihren guten Freunden im Wirtshaus zechten und sich lustig machten, erzählten sie die ganze Geschichte, und am Montagmorgen, als sie anfuhren, war kein Öl mehr auf der Lampe. Sie mussten nun jedes Mal wieder, wie die anderen, frisch aufschütten.

Quelle: Friedrich Wrubel, Sammlung bergmännischer Sagen, 1883