Auf Gottes Eingebung

Im Kloster des heiligen Chrysanthus zu Münster in der Eifel verweilte ein Scholastikus, ein Mann von großer Klugheit und Gelehrsamkeit, ein Franzose von Geburt, mit Namen Ulrich. Da ihm die Einkünfte seines Schulamtes nicht genügten, musste er Schulden machen.

Einer der Brüder des Prämonstratenserklosters Steinfeld, da er sah, welche Schriftkenntnis jener besaß, mahnte ihn oft, in sein Kloster überzusiedeln, um Mönch zu werden. Endlich antwortete jener auf Gottes Eingebung folgendermaßen: „Ich schulde eine kleine Summe, bezahlt sie, und ich komme zu euch.“

Als dies der Präpositus jenes Klosters erfuhr, bezahlte er das Geld sehr gern und der Scholastikus nahm sogleich das Mönchsgewand. Nicht lange nachher wurde er Präpositus desselben Klosters. Es gab nämlich im Prämonstratenserorden noch keine Äbte. Da er wusste, dass er mit dem Amt die Leitung der Seelen übernommen hatte, nicht die des Viehs oder der Besitzungen, so bemühte er sich, Laster auszurotten und keine Gelder aufzuhäufen, denn er sah, dass der Geiz die Wurzel aller Laster ist.

Ulrich wurde 1152 Probst und später erster infullierter Abt von Steinfeld. Er war Lehrer und Erzieher des späteren heiligen Hermann Josef.

Quelle: Caesarius von Heisterbach (*1180 + 1240): Von der Versuchung (Ausschnitt). In: Verschollene Meister der Literatur III. Caesarius von Heisterbach, Berlin 1910, Seite 89, Nr. 25; www.sophie-lange.de