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Sage des Monats Januar 2023

Das Baakauf

Das schrecklichste Ungethüm, welches aus dem Innersten der Erde, wo die heißen Wasser Aachens gekocht werden, vor undenklichen Zeiten mit letztern zu Tage kam, ist gewiß das Baakauf.

Es hatte, wie weit und breit bekannt, seinen Aufenthaltsort im Kolbert, dem großen Abflußkanal der heißen Quellen, dort wo der Büchel und der Holzgraben die Ecke bilden. Nach der Beschreibung Aller, die das Ungeheuer gesehen haben und es daher genau wissen können, hatte es im Ganzen die Gestalt eines ungewöhnlich großen Kalbes, war aber dabei ganz zottig. Der Kopf war breit und dick, das sich weit öffnende Maul zeigte große, scharfe Zähne, die Augen waren klotzig und leuchteten im Dunkeln wie Feuerkugeln. Die Klauen glichen fast Bärentatzen mit scharfen Nägeln, der Schweif aber war mit Schuppen besetzt und schleppte lang über die Erde nach. An Hals und Beinen hatte es Ketten, die gar gewaltig rasselten, wenn es in stiller Nacht über die Straße lief.

Bei Tage hatte man von demselben nichts zu fürchten, dann saß es tief unten im Kolbert, wo die ärmere Volksklasse ohne alle Furcht ihre Wäsche reinigte, denn wenn man auch zuweilen einiges Kettengerassel in der Tiefe hörte, so wußte man doch, daß es nicht nach oben komme. Bei einbrechender Nacht war es aber am Kolbert schon gefährlich, obgleich das Baakauf sein Unwesen erst in den späten Abendstunden und besonders nach Mitternacht begann. Angst und Schrecken wären aber noch größer gewesen, als sie wirklich waren, wenn man nicht im Laufe der Zeit in Erfahrung gebracht hätte: erstens daß der Unholt keine Gewalt über das Leben der Menschen hatte, denn nie ist Jemand von ihm umgebracht worden, zweitens, daß es Frauen und Mädchen, sowie auch Kindern nicht zu nahe kam.

Sein Hauptaugenmerk hatte es auf Vollsäufer und alte und junge Nachtsschwärmer gerichtet und denen gönnte mancher Bürger die Angst und den Schrecken, welche sie vom Baakauf zu erdulden hatten. Doch es faßte oft auch ganz unschuldige Menschen. Sein Unwesen bestand besonders darin, daß es sich über die Vorübergehenden herwarf und sich von denselben bis zu ihrer Wohnung tragen ließ. Dasselbe abzuschütteln, oder sich von ihm los zu winden, war unmöglich, dafür umklammerte es seinen Mann zu sehr und hielt ihn um so fester, je mehr er sich sträubte, es weiter zu tragen. Fluchte derjenige, der das Baakauf tragen mußte, so machte es sich leichter, betete er, so wurde die Last schwerer.

Daraus sah man, daß es ein Teufelsvieh war, dem das Fluchen angenehm, das Beten aber widerwärtig war. Dies konnte man auch noch daraus ermessen, daß das Baakauf davon eilte, wenn der Weg an einer offenstehenden Kirche, oder bei einem Kreuze vorbeiführte. Wenn derjenige, dem das Baakauf auf dem Rücken saß, endlich fast vor Angst erstickt und schweißtriefend von der Last an seine Wohnung angekommen war, so sprang dasselbe herunter und eilte mit Brüllen und Kettengerassel nach dem Kolbert zurück, wenn es nicht unterwegs einen Andern antraf, den es auf dieselbe grauenvolle Weise nach Hause geleitete. Seit dem der Kolbert überwölbt worden ist und darüber in unsern Tagen Häuser erbaut sind, ist das Baakauf in Aachen verschwunden.

Quelle: Dr. Joseph Müller, „Aachens Sagen und Legenden“, Verlag J.A. Mayer Aachen 1858