<<< vorherige Seite | Aachens Sagen und Legenden | nächste Seite >>>

Die Mobesin

Die Mobesin1), das war eine schlimme und böse Hexe!

Bei Tag hat sie die Leut gequält
Bei Nacht des Teufels Geld gezählt

Sie wohnte vor vielen hundert Jahren in einem großen Hause an der Ecke des Seil- und Hirschgrabens und war in der ganzen Stadt unter dem Namen der Gräfin Mobesin bekannt. Wie und woher sie in die Stadt gekommen war, das wußte kein Mensch. Sie hielt Wagen und Pferde, denn sie war sehr reich, allein sie hatte mit Niemanden Umgang, fuhr auch nie bei Tage aus und war noch niemals in der Kirche gesehen worden, selbst nicht an Sonn- und Festtagen. Kein Armer erhielt bei ihr ein Almosen, Thüre und Fenster waren stets verschlossen. So still es aber im Hause bei Tage war, so geräuschvoll und lärmend ging es dort oft in der Nacht her. Die Säle waren dann hell erleuchtet und obgleich man weder zu Wagen, noch zu Fuße Leute dahin kommen sah, so schien doch große Gesellschaft dort zu sein.

Ein Nachtwächter, dem das Treiben bei der Mobesin schon lange verdächtig vorgekommen war, entschloß sich, als er spät am Abend wieder Lärm und Gepolter im Hause hörte, einmal zu lauschen und da kam es ihm denn vor, als wenn er im Saale eine Menge alter und junger Katzen mit feurigen Augen um einen Tisch sitzen und allerlei gräßliche Gebärden machen sähe. Auf dem Tische lag aber lauter blankes Gold, worin sie mit den Klauen herumarbeiteten, als wenn sie es zählten. Was den Nachtwächter aber am meisten in Verwunderung setzte, war der Umstand, daß die große schwarze Katze der Mobesin, die er oft um das Haus hatte schleichen sehen, den Ehrensitz einzunehmen und sich besonders thätig zu beweisen schien. Der Nachtwächter hatte nun die Ueberzeugung gewonnen, daß hier der Teufel mit im Spiele sei und ging in Zukunft an dem Hause nicht mehr vorüber ohne sich zu kreuzigen und im Stillen zu sagen: „alle gute Geister loben Gott!“ Er sagte aber von Allem, was er gesehen und gehört hatte, vorläufig Niemanden etwas.

Die schwarze Katze der Mobesin war aber ein ganz eigenthümliches Vieh und wurde allen Leuten, welche im Hause etwas zu arbeiten hatten, gar lästig. Wenn der Kutscher einen Schlosser, Schreiner oder Dachdecker zur Arbeit ins Haus bestellt hatte, so schlich dieselbe, während diese ihre Arbeit thaten, stets um sie herum, als wollte sie ihre Thätigkeit überwachen. Dem Schlosser, der während er neue oder alte Schlösser anschlug, gern ein Gläschen Brantwein trank, dem stieß sie das Glas um, dem Schreiner den Leimtopf, wenn er sich nicht spudete. Den Dachdecker ärgerte sie aber am meisten, kaum saß er auf dem Dache, so kroch sie zum Dachfenster hinaus, und wenn er sich dann nach der Gewohnheit der Dachdecker etwas verschnaufen und die Gegend von der Höhe aus einmal ganz gemüthlich ansehen wollte, oder wenn er Zunder und Stahl nahm, um sich in Ruhe ein Pfeifchen anzubrennen, so war die verdammte Katze da und rückte ihm so nahe auf den Leib, daß er beim Feuerschlagen gehindert war, und das fand er mit Recht schon sehr verdrießlich.

Eines Tages nun aber, als er eben den Schwamm auf die gestopfte Pfeife legen wollte, da stieß sie ihn so an den Arm, daß Schwamm und Pfeife ihm aus der Hand fielen. Darob erzürnt ergriff er den Hammer, schlug nach der Katze und traf sie auch so gut, daß er ihr von der rechten Vorderpfote drei Zehen abschlug und das Blut hervorquoll. Mit fürchterlichem Geheul floh das verwundete Vieh zum Dachfenster hinein und gleich darauf hörte man unten im Hause Schreien, Lärmen und Getümmel. Der Kutscher schrie: die Frau Gräfin ist verwundet, die Frau Gräfin ist verwundet, Mörder im Haus, Mörder im Haus! Eiligst wurde zum Arzte geschickt, damit er die Wunde verbände. Derselbe fand zum größten Schrecken, daß der Frau Gräfin an der rechten Hand drei Finger fehlten, welche mit einem stumpfen Instrumente abgehauen zu sein schienen. Da die Mobesin nicht angeben konnte oder vielmehr nicht angeben wollte, wie, wo und durch wen sie so verstümmelt worden sei, so folgte man der Blutspur, welche bis zum Dachfenster hinausführte.

Welcher Schrecken ergriff aber Alle, als man in der Dachrinne die drei abgehauenen Finger der Mobesin fand und der Dachdecker erzählte, was ihm mit der schwarzen Katze begegnet sei. Jetzt erst theilte auch der Nachtwächter mit, was er vor langer Zeit in der Nacht durch die Fensterritze gesehen hatte und es war nun klar und offenbar, daß die Mobesin eine Hexe sei, welche sich zu jeder Zeit, wann sie wollte, in eine schwarze Katze verwandeln konnte. Sie war dessen denn auch vor den Gerichten geständig. Wo sie aber alle ihre Schätze im Hause versteckt habe, das hat sie nicht bekennen wollen. Alle Nachgrabungen in dem Hause nach denselben sind bis jetzt fruchtlos gewesen.

Die Mobesin wurde in bester Form von den Richtern als Hexe zum Feuertod verurtheilt und auf dem Markte zu Aachen verbrannt.

Quelle: Dr. Joseph Müller, „Aachens Sagen und Legenden“, Verlag J.A. Mayer Aachen 1858


1)
Anmerkung Sagenwiki: Bei der Mobesin handelt es sich um Katharina von Thenen, die trotz ihrer Abstammung aus einer Patrizierfamilie und als Ehefrau des wohlhabenden Kaufmanns Matthias Maubach aufgrund „selbstgestandener“ Zaubereien am 10. Dezember 1630 zunächst mit dem Schwert hingerichtet und dann verbrannt wurde.