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Der Schmid und der Graf Wilhelm von Jülich

Der tapfere Graf Wilhelm von Jülich lebte mit der Stadt Aachen in fortwährender Fehde. Sein Groll gegen dieselbe wuchs mit jedem Jahre, sie war aber stark befestigt und ihre Bürger wehrsam und tapfer. Da er einsah, dass er seinen Plan, Herr der Stadt zu werden, mit Gewalt nicht durchsetzen konnte, so griff er zur List und schmiedete Ränke. Er wollte die Stadt in einem Handstreiche nehmen. Um dies auszuführen rüstete er sich mit seinen Vasallen und Freunden ganz im Geheimen und suchte in Aachen selbst Verräther, welche ihm nicht nur die Thore der Stadt öffnen, sondern auch mit einer Schaar handfester Verschwornen zu Hilfe eilen sollten.

Es war im Jahre 1278 am 16. März Abends um 9 Uhr, als Graf Wilhelm mit 468 schwer bewaffneten Rittern und Edelleuten durch das Kölnthor in die Stadt ritt, denn die Verräther hatten es so einzurichten gewußt, daß sie an diesem verabredeten Tage dort den Wachdienst versahen. An der Spitze seiner Reiterschaar war der Graf, von drei Söhnen umgeben, bereits auf den Markt angelangt ohne den geringsten Widerstand gefunden zu haben. Jetzt erscholl das gegebene Losungswort: „Julia, Julia, nostra domina!“ Allein es stell ten sich keine Verräther zur Hilfe ein, wohl aber griffen die Bürger, aufgeschreckt durch den Lärm, zu den Waffen und eilten zum Kampfe. Die Sturmglocken ertönten, und in wenigen Minuten wüthete der erbitterste Kampf auf dem Markte. Die angrenzenden Straßen waren bald abgesperrt, um dem Feinde die Flucht unmöglich zu machen, Greise, Frauen und Kinder warfen Balken und Steine aus den Fenstern und von den Dächern und zerschmetterten manchen Ritter. Es sanken aber auch viele tapfere Bürger von den gewaltigen Schwertern der Ritter zu Tode getroffen dahin.

Mit jedem Augenblick stieg der Lärm und der Muth der Bürger, es strömten immer neue Schaaren hinzu, während bei den Rittern die Verwirrung und Muthlosigkeit immer größer und ihr Häuflein immer schwächer wurde. Die Nacht vermehrte das Schauerige des Kampfes. Bald erkannte Graf Wilhelm, daß er mit seinen Söhnen, die, wie junge Löwen, an des Vaters Seite fochten, dem sichern Tode verfallen sei, wenn er länger Stand halte, er lenkte daher mit ihnen und dem kleinen Reste seiner Krieger zur Jakobstraße hin, weil er bemerkt hatte, daß hier der Weg noch offen war. Schon hatten sie sich durch die dichten Haufen der Bürger bis zu dem Weißfrauen-Kloster Bahn gebrochen, da trat ein rüstiger Grobschmid mit einer großen Eisenstange aus seiner Werkstätte und schlug mit gewaltiger Wucht zuerst den Grafen Wilhelm und dann seine drei Söhne todt von den Pferden herunter.

Unterdessen waren auch die noch übrigen Begleiter des Grafen zu Boden gestreckt worden, so daß von den 468 Rittern auch nicht Einer verschont worden war, der die Trauerkunde der Gräfin Rycharda bringen konnte, welche in Jülich mit beklommenem Herzen der Nachricht von dem Ausgange des Gefechtes harrete.

Im Jahre 1280 wurde auf dem Schlosse Schönau bei Aachen mit der Wittwe des Grafen Friede geschlossen. Die Stadt mußte ihr und ihren beiden Söhnen ein bedeutendes Sühngeld zahlen und zugleich für die Seelenruhe der Erschlagenen vier Sühn-Altäre errichten. An der Stelle, wo Graf Wilhelm mit seinen Söhnen den Tod fand, wurde ein steinernes Monument erbaut, dessen Trümmer die neuere Zeit erst weggeräumt hat.

Informationen zur Gertrudisnacht bei Wikipedia

Quelle: Dr. Joseph Müller, „Aachens Sagen und Legenden“, Verlag J.A. Mayer Aachen 1858