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Die Tempelherren

Der Templer-Orden, welcher 1128 zu Jerusalem von dem frommen Helden Hugo von Pajens gestiftet wurde, verbreitete sich bald über ganz Europa. Der schöne und erhabene Zweck des Ordens war, die Pilger und Wallfahrer nach dem heiligen Grabe unseres Heilandes gegen die Heiden und Türken mit gewaffneter Hand zu schirmen und zu schützen. Die Ritter dieses Ordens kamen auch nach Aachen und bauten hier ein prachtvolles Kloster nebst Kirche in dem damals noch wenig bebauten westlichen Theile der Stadt, welcher zum ewigen Andenken bis heute noch der Templergraben genannt wird. Der daran stoßende Templerbend bildet jetzt den geräumigen Platz vor der Aachen Düsseldorfer und Aachen-Mastrichter Eisenbahn Station. In diesem Templerbend war es, wo sich die Bauten des Ordens erhoben. Das traurige Ende des ganzen Ordens im Monat März des Jahres 1314 ist jedem aus der Geschichte bekannt.

An demselben Tage, an welchem in Paris die Häupter des Ordens den Flammentod erlitten, versanken hier um Mitternacht, als die Ordensritter in der Kirche versammelt waren, Klostergebäude und Kirche mit gewaltigem Getöse in den Schoos der Erde. Am andern Morgen war Alles verschwunden, die Bürger fanden die öde Fläche und bemerkten nur, daß an der Stelle, wo die Kirche gestanden hatte, ein silberheller Quell süßen Wassers der Erde entquoll.

Wer hier an den Vorabenden hoher Kirchenfeste und so ganz besonders am Christabende um Mitternacht lauschte, der hörte deutlich Glockengeläute und Orgeltöne aus der Quelle emporhallen. Erst in jüngster Zeit ist dieselbe beim Baue der Eisenbahn leider verschüttet worden. Seit dem Tage des Versinkens des Klosters und der Kirche, sieht man aber auch allnächtlich um die zwölfte Stunde drei Tempelritter als Geister auf- und niederschreiten. Daß es wirklich solche Ritter sind, zeigt ihre Kleidung, ein weißer Mantel mit dem rothen Kreuze, dem Zeichen der Liebe und des Todes, umwallt ihre Schultern, ein breites Schwert umgürtet ihre Lenden, auf ihrer Brust aber blutet eine tiefe Wunde. Mit der Morgendämmerung verschwinden die hehren Gestalten der bleichen Ritter.

Quelle: Dr. Joseph Müller, „Aachens Sagen und Legenden“, Verlag J.A. Mayer Aachen 1858