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Kaiser Karl und Hildebold

Plektrudis, die Mutter Karls, lebte hochbetagt zu Köln am Rhein. Der Kaiser saß zu Aachen vergnügt in seinem Pallaste, als er die Nachricht erhielt, seine Mutter sei krank. Sogleich ließ er die Pferde satteln und ritt nur von Eginhard begleitet, beide in einfacher Waidmannstracht noch in derselben Nacht gen Köln.

Ehe noch der Morgen graute, drang plötzlich ein Glöcklein zu ihren Ohren, das zur Frühmesse rief. Die Reisenden lenkten ihre Rosse dorthin, banden sie an nahe stehende Lindenbäume, traten in das Kirchlein und hörten andächtig die h. Messe. Nach derselben legte Karl zwölf Goldgülden auf den Altar und wollte sich entfernen, da redete ihn der Geistliche, der dies gesehen hatte, also an: „Herr Jägersmann, das ist des Geldes zu viel, mehr als das Kirchlein braucht, doch unser Meßbuch hier hat keinen Einband mehr, ihr würdet uns daher zu Dank verpflichten, wenn ihr uns einmal ein Reh- oder Hirschfell dazuschenken wolltet.“ „Das wollen wir uns merken!“ sprach Karl zu Eginhard, sie bestiegen dann wie der ihre Rosse und gelangten bald nach Köln, wo er seine Mutter noch am Leben fand, die aber in wenigen Tagen starb. Mit Trauer im Herzen kehrte der Kaiser nach Aachen zurück.

Nach Jahresfrist mußte er wieder nach Köln, denn der Erzbischof war gestorben und das Domstift und der Rath der Stadt waren in großem Zwiespalt über die Wahl eines neuen Bischofes. Sie baten den Kaiser, die Wahl in die Hand zu nehmen, und beide Parteien erklärten, daß derjenige ihnen als Bischof angenehm sein würde, den er als den würdigsten bezeichnen werde.

Da gedachte Karl des bescheidenen Mönches, der um ein Rehfell zum Einbande des Meßbuches gebeten hatte. Weil er Demuth und Bescheidenheit für die höchsten Tugenden eines Geistlichen hielt, so erachtete er ihn statt eines Rehfelles des Purpurs, ja goldenen Fließes werth und berief ihn als Bischof nach Köln. Hildebold führte noch lange zum Heile der Gläubigen im Rheinlande voll Würde und Hoheit Ring und Stab. Karl selbst zählte ihn nach der Bischofswahl zu seinen vertrautesten Freunden bis zum Tode. Der Ort, wo Karl und Eginhard die Messe hörten und Hildebold kennen lernten, heißt „Königshofen.“

Quelle: Dr. Joseph Müller, „Aachens Sagen und Legenden“, Verlag J.A. Mayer Aachen 1858