<<< vorherige Seite | Aachens Sagen und Legenden | nächste Seite >>>

Danko der Glockengießer

So war denn endlich auch der Glockenthurm am Münster fertig geworden er ragte majestätisch über alle andere Thürme der Stadt hervor und schaute weit in die Umgegend hinaus. Dessen freute sich Karl gar sehr, allein in seinem Herzen wurde der Wunsch immer heißer und lebhafter, den Thurm, der bis jetzt nur einige kleine Glocken hatte, mit einer mächtigen, großen Glocke zu versehen, die des ganzen Baues würdig sei. Zu der Zeit war aber das Glockengießen noch eine seltene Kunst und bis jetzt hatte der Kaiser sich vergebens in seinen Landen nach einem tüchtigen Meister umgesehen. Wie groß war daher die Freude des Kaisers, als er die frohe Kunde erhielt, daß im Kloster zu St. Gallen ein Mönch mit Namen Danko sei, der die Kunst des Glockengießens vortrefflich verstünde und bereits Proben seiner Geschicklichkeit abgelegt habe. Alsbald wurden Eilboten nach St. Gallen entsendet, welche den Danko an des Kaisers Hof nach Aachen entbieten sollten.

Hochgeehrt traf derselbe sehr bald in Aachen ein und mit frommer Begeisterung that Karl ihm seinen Wunsch kund, versprach ihm reichlichen Lohn nach Vollendung der Arbeit und setzte hinzu, daß er keinen Aufwand zu scheuen habe, um ein Meisterwerk zu Stande zu bringen. Denn die Glocke, so meinte der Kaiser, sollte dem Münster eine Hauptzierde sein, ihre ehrne Stimme sollte ja noch nach Tausend Jahren die Gläubigen zur Andacht rufen und allen Bürgern Freud und Leid verkünden. Danko ging alsbald ans Werk und mit Freudigkeit ließ ihm der Kaiser alle gewünschte Geräthe und alle verlangte Metalle herbeischaffen. Damit der Ton der Glocke rein und weithallend sei, waren dem Meister auch hundert Pfund Silber aus dem Schatze Karls zugewogen worden.

Der Glockengießer war aber ein habsüchtiger und unehrlicher Mann, der schnöden Gewinn der Ehre vorzog. Er hatte nämlich das Silber bei Seite geschafft und statt dessen hundert Pfund Blei in die Glockenspeise gebracht. Als nun der Guß vollendet war und die Glocke aus der Grube gezogen wurde, da jauchzten alle Zuschauer und der Kaiser freute sich ohnmaßen, denn sie war spiegelblank und glänzte, wie pures Silber. Bald nachher schwebte sie hoch oben im Thurme und schon harrte man mit Ungeduld ihres ersten Geläutes.

Der Kaiser hatte sich selber aber die Freude vorbehalten, die Glocke zuerst anzuziehen. Er erschien daher in vollem Schmucke von Danko und dem ganzen Hofstaate begleitet im Glockenthurm. Er richtete dann ein heißes Gebet an Gott und Maria, die er bat, dieses Geschenk gnädig anzunehmen und zog mit Macht die Stränge an. Zum Erstaunen Aller gab die Glocke nur einen sehr schwachen, ganz dumpfen Ton von sich.

„Wohlan, Danko, sprach darauf der Kaiser, so versuche Du denn selber dein Meisterwerk, ich vermag ihm keine Klänge zu entlocken.“ Bleich und zitternd trat Danko vor, erfaßte die Stränge und zog sie an mit der angestrengtesten Kraft aller Sehnen. Man vernahm kein Geläute, wohl aber das Krachen des Gebälkes, welches der Klöpfel der Glocke durchbrach und den Gleißner zu Karls Füßen todt niederschmetterte. Furcht und Schrecken befiel die Versammlung, der Kaiser blieb ruhig und sprach: „den hat Gott selbst gerichtet!“

In der Wohnung Dankos fand sich das unterschlagene Silber noch alle vor. Der Kaiser bestimmte es für die Armen und grämte sich eine Zeit lang der erlittenen Täuschung wegen.

Quelle: Dr. Joseph Müller, „Aachens Sagen und Legenden“, Verlag J.A. Mayer Aachen 1858