<<< vorherige Seite | Aachens Sagen und Legenden | nächste Seite >>>
Gründung der Stadt Aachen
Kaiser Karl kannte kein größeres Vergnügen, als die Jagd. Sie gewährte ihm Erheiterung und Erholung von seinen vielen und mühevollen Geschäften. „Die Jagd, so sprach er oft, stählt des Mannes Muth, sie erfrischt und erquickt den Geist und entwickelt des Körpers Kraft und Gewandtheit, sie ist daher die Vorschule zum Kriege für jeden Helden, denn hier wie dort muß er in drohenden Gefahren Geistesgegenwart haben und sich mannhaft zurecht zu finden wissen.“ Die hiesige Gegend war in ihrem damaligen Urzustand zur Jagd besonders geeignet.
Es dehnten sich große Strecken hochstämmiger Eichen und Buchenwaldung weit ins Land und wechselten mit dichten Tannen- und Fichtenwäldern und kleineren Gebüschen ab. Dort waren Sümpfe und Moore, hier öde Haidestrecken, ringsum er hoben sich sanfte Hügel mit ihren Schluchten und grasreichen Thalgründen von zahllosen Silberbächen durchflossen. An Wild der manigfaltigsten Art fehlte es nicht, es gab da Wölfe, Füchse, und Dachse, Rehe und Hirsche, Eber und Urochsen die Fülle. Es darf uns daher nicht wundern, wenn der Kaiser in unsern Gegenden gar oft mit großem Gefolge jagte.
Auf einer dieser Jagden hatte derselbe sich in der Verfolgung eines Hirsches von seinen Genossen gar weit entfernt. Als er so einsam im Walde umherirrte, gewahrte er ein altes, zerfallenes Schloß, dessen Trümmer von Epheu umrankt sich noch majestätisch aus einem spiegelglatten See erhoben. Er wollte eben sein Roß zur nähern Betrachtung der Ruinen dahinlenken, als dasselbe mit den Vorderfüßen in die Erde sank und scheu und erschrocken emporspringend davon eilen wollte.
Der Kaiser drob verwundert stieg vom Pferde herab, um zuzusehen, was sich dort am Boden befände. Welches Staunen ergriff ihn aber, als er an der Stelle, wo das Roß die Erde durchbrochen hatte, heiße Dämpfe und gleich darauf einen heißen Wasserstrahl emporsteigen sah. Der fromme Kaiser fiel sogleich auf seine Knieen und dankte Gott für die große Wohlthat, welche er ihm auf so wunderbare Weise hatte zu Theil werden lassen, denn er sah im Geiste die Segnungen, welche diese Quelle den Menschen von Generation zu Generationen bringen würde.
Hier faßte er den Entschluß, die vor ihm in Trümmern liegende Burg zu einem Jagdschloß herzustellen und in der Nähe sich eine Pfalz zu bauen und eine Stadt zu gründen. Ferner gelobte er der Muttergottes bei seiner Pfalz einen schmucken Tempel zu errichten. Der Kaiser stieß nun in sein Horn „Dein Ein,“ die muntern Jagdgenossen sammelten sich um ihn und sahen das Wunder, das sich begeben hatte und freuten sich herzlich mit ihm über dieses köstliche Geschenk des Himmels.
Rasch und energisch, wie er es in allen Dingen zu sein pflegte, ging der Kaiser an die Ausführung der gefaßten Pläne. Das Jagdschloß erhob sich bald aus seinen Trümmern. Zu einem umfangreichen Kaiserlichen Pallaste, sowie zu der Liebfrauen-Kirche wurden zugleich die Fundamente gelegt und ihr Weiterbau rasch gefördert, während eine Menge einzelner Häuser schon vollendet war, die den Anfang der Stadt Aachen bildeten. Nach und nach waren noch mehrere heiße Quellen, selbst in der Nähe des zu erbauenden Pallastes, entdeckt worden. Der Kaiser ließ einige derselben alsbald fassen, legte Kanäle an und Badehäuser, wo er noch in seinen spätesten Tagen gar fleißig badete und zwar sehr häufig in großer Gesellschaft mit seinen Freunden und Getreuen.
So wurden die Bäder von Karl dem Großen selbst entdeckt und ihretwegen die Stadt Aachen von ihm gegründet.
Quelle: Dr. Joseph Müller, „Aachens Sagen und Legenden“, Verlag J.A. Mayer Aachen 1858