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Der Riesenkegelschub auf dem Ober-Oderwitzer Berge

  Gräve, Volkssagen S. 68

In alten Zeiten lebten in der Zittauer Gegend Riesen, ein altes und wildes Geschlecht, das die Götter verachtete und die Menschen verfolgte. Auf dem Oderwitzer Berge hatten dieselben einen Kegelschub, auf dem sie mit sechs goldenen Kugeln nach neun goldenen Kegeln zu schieben pflegten und jeden glücklichen Schub mit ungeheurem Jauchzen verkündigten. Eines Tages trieben sie ihr Wesen gar zu arg, fluchten und lästerten schrecklich, in dem sie immerwährend bis in die Mitternacht hinein Kegel schoben. Da öffnete sich plötzlich der Himmel, ein Feuerball fuhr hernieder und begrub Kegel, Kugel und Riesen in die Erde. Hier liegt der geschmolzene Goldklumpen und harrt der Hand des glücklichen Finders.

Anmerkungen: Auch Kaiser Rothbart im Kyffhäuser schiebt Kegel und schenkt einen derselben einem Hirten (Harrys, Niedersächs. Sag. No. 1.). Dasselbe wird von den Zwergen im Löbauer Berge erzählt (siehe No. 29.). Auf einem Gemälde der Annaberger Kirche sind kegelschiebende Engel abgebildet. Nach Nork (S. 256) haben diese goldenen Kegel eine astrische Bedeutung und stellen die Gestirne vor. Auch ist die Vermuthung aufgestellt worden, das Kegelspiel bedeute die fallenden und aufstehenden Kämpfer bei den allabendlichen Kampfspielen der Einherien in Walhalla. Zu Hildesheim spielten früher die Domherren ein ähnliches Spiel am Sonntage Lätare im Domhofe. (Hannov. Landesbl. 1833 S. 30.)

Quelle: Karl Haupt, Sagenbuch der Lausitz, Leipzig, Verlag von Wilhelm Engelmann,1862