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Die Schlangenkönigin von Klingewalde

  Mündlich. N. L. M. Bd. 36. S. 169 fg.

Der Junker von Klingewalde ritt auf die Jagd, und als er müde war, legte er sich schlafen unter einen Eichenbaum am Rande des Baches, der durch den Klingewalder Busch fließt. Da däuchte es ihm, als käme aus dem Wasser heraus eine wunderschöne grüne Schlange, die ringelte sich und züngelte sich im Sonnenschein an dem jenseitigen Rande des Baches. Auf ihrem Kopfe trug sie eine glänzende Krone mit einem herrlichen Rubinstein und ihre Augen waren wie zwei schöne Jungfrauen-Augen, damit schaute sie den Junker unaufhörlich an, also daß er in Liebe entbrannte zu der Schlangenkönigin; aber sobald er aufsprang und die Arme nach ihr ausbreitete, verschwand sie blitzschnell in den Wellen des Baches.

Der Junker hatte fürder keine Ruhe, und jeden Tag zur Mittagsstunde lag er unter dem Baume am Rande des Baches und sah der Schlangenkönigin zu, wie sie sich ringelte und züngelte im Sonnenschein. Und sein Herz war krank vor Sehnsucht. Aber die Schlangenkönigin hatte Mitleid mit dem schönen Junker und sagte ihm, es gäbe wohl ein Mittel, sie zu erobern. Er solle auf seinem weißen Pferde und ein weißes Tuch in der Hand mit einem Satze über den Bach sprengen, dann würde sie sammt dem unschätzbaren Edelsteine in ihrer Krone die seinige werden. Des andern Tages ließ der Junker sein milchweißes Roß satteln und nahm ein weißes Tuch in die Hand und ritt durch den Wald zur Stunde des Mittags, und in der Ferne auf dem andern Ufer des Baches stand die Schlangenkönigin als eine herrliche Jungfrau und ihre Krone funkelte im Sonnenschein. Aber als der Junker seinem Roß die Sporen in den Leib drückte, um einen Anlauf zu nehmen zu dem gefährlichen Sprunge, da erhob sich plötzlich von allen Seiten ein schreckliches Pfeifen und Zischen und aus den Sträuchern und Büschen kamen Tausende von Schlangen hervor und stürzten sich mit Blitzesschnelle hinter dem Reiter her. Und als er von Angst und Schrecken gehetzt am Ufer ankam, da hatten sie ihn erreicht und umringelten Roß und Mann. Mit seiner letzten Kraft setzte das edle Thier vom Ufer ab, um seinen Herrn über das Wasser zu tragen, aber mitten im Sprunge war es von den Schlangen übermannt. Die Königin stieß einen lauken Schrei aus und Roß und Reiter versanken in den Wellen. Dort fanden ihn seine Diener. Ein steinernes Denkmal am Rande des Baches war noch lange Zeit Zeuge des Ereignisses.

Anmerkungen: Auch auf Schloß Landeck ist eine Erscheinung, die sich den einen Tag als Jungfrau, den andern als Schlange zeigt.

Quelle: Karl Haupt, Sagenbuch der Lausitz, Leipzig, Verlag von Wilhelm Engelmann,1862