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Die unheimliche Mühle

  Mündlich aus Guben

In einem Dorfe war eine Mühle. Der Müller erhielt keinen Gesellen mehr; weil schon mehrere ihren Tod in der Mühle gefunden hatten und zwar auf ganz unerklärliche Weise.

Eines Tages kam ein Geselle zum Müller, der um Arbeit anfragte. Der Müller sagte, er brauche einen Gesellen sehr notwendig; aber er wolle es ihm geradezu sagen, in seiner Mühle sei es nicht recht richtig. Der Geselle war ein dreister Bursche und bat, der Meister möchte ihn nur dabehalten, er würde mit dem Spuk schon fertig werden. Dem Meister war das eben recht.

Zur Nacht ging der Geselle auf die Mühle und nahm sich ein Schwert mit. Und wie die Mitternachtsstunde geschlagen hatte, kam eine nasse Katze durch ein Loch in die Mühle gekrochen und setzte sich auf die Ofenbank. Als sie eine Weile dagesessen hatte, kam die zweite Katze und bald auch die dritte und nahmen neben der ersten Platz. Doch o Wunder! Je mehr sie sich erwärmten, desto mehr nahmen sie an Größe zu.

Da fing die erste Katze an: „Na woll'n w'r, na woll'n w'r?„ Drauf antwortete die andere: „Jiaul“ und die dritte: „Los!“ Da sprangen alle drei, jede mit einem gewaltigen Satze, auf den Gesellen zu und fauchten und spuckten, und ihre Augen sprühten zornfunkelnde Blicke. Der Geselle aber war nicht faul und hieb der ersten , die ihm zunahe kam, mit seinem Schwerte das Bein ab, so daß sie jämmerlich zu schreien anfing und die Katzen alle drei eiligst durch dasselbe Loch wieder entschlüpften, durch das sie gekommen waren.

Und als er das Bein aufhob, da war es eine Menschenhand mit einem goldenen Ringe auf einem Finger. Er wickelte sie in ein Tuch und eilte am Morgen damit zum Meister und erzählte ihm das Abenteuer, das er bestanden. Dieser zeigte sich sehr erfreut darüber; denn er hoffte, daß dem Spuk nun das Wiederkommen verleidet sein würde.

Beim Frühstück spricht der Meister zu seinem Gesellen : „Meine Frau ist sehr frank.“ Der Geselle wünschte sie zu sehen und meinte, er sei in manchen Sachen so klug wie ein Doktor. Da führte ihn der Müller in das Zimmer, wo die Frau Meisterin lag. Der Geselle sprach: „Zeigt mir Eure rechte Hand!“ Die Frau zeigte ihm die linke. Sprach der Geselle wieder: „Zeigt mir doch die rechte!“ aber sie wollte nicht.

Da wickelte der Geselle die abgehauene Hand aus dem Tuche und hielt sie ihr vor. Jetzt fing das Weib an zu zittern wie Espenlaub, ihr Gesicht verzerrte sich und unter Ächzen und Stöhnen bekannte sie, daß sie eine Hexe und daß sie die Katze gewesen sei. Auch nannte sie noch ihre beiden Genossinnen. Dann starb sie eines schrecklichen Todes.

In der Mühle ist seitdem nie mehr etwas passiert.

Quelle: Niederlausitzer Volkssagen vornehmlich aus dem Stadt- und Landkreis Guben, gesammelt und zusammengestellt von Karl Gander, Berlin, Deutsche Schriftsteller-Genossenschaft, 1894