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Der Alp. Murava

  L. Mon. Schr. 1797. II. 759. Gräve S. 58. Haupt und Schmaler, Wend. Lieder II. 268.

Der Alp oder Mähre, Nachtmännlein – auch Drutte (wendisch Murava) ist ein Geist von zweifelhaftem Geschlechte (Incubus und Succubus), der aus einem Menschen, den man deshalb auch Alp nennt und an seinen über der Nase zusammenlaufenden Augenbrauen erkennen kann, ausfährt, und einen andern aus Uebermuth oder auf Befehl des ersteren im Schlafe drückt, ihm das Athmen erschwert und ihn am Sprechen hindert. Dieses nennt man dann Alpdrücken. Der Geist erscheint dann in Gestalt eines alten, häßlichen, unförmlich dicken Weibes mit einem schweren Klotze in den Armen. Diese Unholdin verschont auch das Vieh nicht. Es giebt übrigens Mittel sie zu fassen. Das bewährteste ist, wenn man zu ihr sagt: Pschindz justje ksnje danjn.

Da stellt sich sodann die Ruhestörerin gewiß des Morgens beim Frühstück ein. Die einzige Schwierigkeit ist nur eben leider, daß das Alpdrücken am Sprechen hindert.

Die Murava der Niederwenden ist indessen ebensowohl Tag- als Nachtgeist, und erscheint allemal dann, wenn es während des Sonnenscheines regnet; dann flattert sie als Schmetterling von aschgrauer Farbe, der dem gemäß im Wendischen auch Khodojta, Hexe, heißt, umher, und nimmt die Gelegenheit wahr, wie sie etwa Jemandem schaden könnte. Zuweilen er scheint sie auch als ein kleines rothes Männchen.

Anmerkungen:

  1. Alpschwanz, Alpzal, Alpzagel heißt in der Lausitz ein alberner Mensch. Albern scheint mit Alp durch den Begriff des Schläfrigen, Schwerfälligen verwandt zu sein. Alfanzen heißt: sich unrichtige, fürchterliche Gedanken machen. (Anton, Idiotikon. 6. St.)
  2. Auch der deutsche Alp wird oft für ein und dasselbe mit der Hexe oder doch gleich den Elben für ihr Erzeugniß gehalten. Thomasius, dissertatio de sagis. Drude bedeutet gegenwärtig Alp, ursprünglich aber Druide. Druide = Hexe. Der Name Nacht mähre hingegen zeigt Verwandtschaft mit der slavischen Mara, und auch Murava scheint nur eine Art Personifikation der Mara (siehe oben die Göttersagen). Ein altes Weib aber heißt im Wendischen scheltweise Stara Mera = alte Hexe, eine so enge Namensverwandtschaft, daß es erlaubt sein dürfte, diesen Fall als einen Beweis für die oft ausgesprochene Wahrheit zu halten, daß die Priesterinnen des Heidenthums sich im christlichen Zeitalter im Hexen verwandeln. (Vergleiche Liebusch, Skythika S. 272.)
  3. Aber Nachtmähre scheint auch deutsch gedeutet werden zu können. Mähre heißt bekanntlich Pferd. Mit dem Alpdrücken ist oft das Gefühl des Reitens verbunden. (Scheibele, das Kloster XII. 685.) Hexen aber sind ebenfalls bekanntlich Ofengabel- und Besen reiterinnen. Mara ist Todesgöttin und Pestfrau. In der skandinavischen Sage läuft das Todtenpferd der Göttin Hela bei Nacht umher und bringt den Tod in das Haus, wo es sich vor dem Thore sehen läßt. Wer aber mit dem Leben davon kommt, fühlt sich beim Erwachen wie gelähmt. (Gerade so beim Alpdrücken.) Im slavischen Gegen den bringt ein gespenstiges Roß die Pest in das Haus, wo es mit dem Kopf gegen die Thüre stößt.
  4. Schließlich die eigenthümliche Schmetterlingsgestalt. – Auch in der Aargauer Sage erscheint der Alp in Schmetterlingsgestalt. (Rocholz S. 277.) Im Kanton Luzern heißt Toggeli zugleich Schmetterling und Alpdrücken. (Stadler 1. 287.) Molkendieb ist sowohl Name eines weißen Schmetterlings als auch Schimpfname der die Milch (Molken) verzaubernden Hexen. (Grimm, Mythologie S. 605.) Schrätteli und Toggeli sind aber in den oberdeutschen Mundarten zugleich Zwerg namen. Man bemerke, wie hierdurch wieder der ursprüngliche Zusammenhang zwischen Alpen und Zwergen (Alfen und Elfen) sprachlich hergestellt wird.

Quelle: Karl Haupt, Sagenbuch der Lausitz, Leipzig, Verlag von Wilhelm Engelmann,1862