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Morzana

  M. Frenzel, de idolis Sorab. diss. II. § 8. 
  Haupt u. Schmaler II. 268.

Die lausitzischen Sorbenwenden beteten eine Todesgöttin Morzana oder Marzana an und verehrten sie mit feierlichen Opfern und Umzügen, damit sie ihnen nicht einen plötzlichen und frühzeitigen Tod sende. Noch im vorigen Jahrhunderte pflegten sie eine Strohpuppe mit einem weißen Gewande, die in der einen Hand einen Strohbesen, in der andern eine Heusichel hielt, auf einer hohen Stange umher zu tragen und mit Klageliedern bis an die Dorfgrenze zu geleiten, wo man die Puppe in Stücken zerriß. Nach Hause zurück gekehrt, hielten sie gemeinschaftliche Schmausereien.

Anmerkungen: Diese Todesgöttin ist zugleich Erntegöttin wie Demeter. Die Sichel tritt an die Stelle des Todesspeers, den Odin, oder der Todespfeile, die Apollo führt. Auch die christliche Symbolik giebt dem Tode eine Sichel in die Hand. Tod und Ernte stehen in uralter mythischer Verwandtschaft.

Die hier erzählte Ceremonie heißt sonst das Todaustreiben.

Quelle: Karl Haupt, Sagenbuch der Lausitz, Leipzig, Verlag von Wilhelm Engelmann,1862