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Die Wasserfrau und der Fleischerbursche zu Rothenburg

  Nach Schön.

Auch in der Gegend von Rothenburg haust eine Wasserfrau, die zur Mittagsstunde beim kleinen Wehr Wäsche auf den Rasen zu breiten und zu trocknen pflegt, aber auf der Stelle verschwindet, sobald ein Mensch in die Nähe kommt. Diese kaufte oft in Rothenburg Fleisch, war aber beim Einkauf so eigen und gewählt, hielt auch immer das Fleisch schon in den Händen, noch ehe es abgehackt war, daß der Fleischerbursche ihr einst vorsätzlich einen Finger abhackte.

Die rachsüchtige Wasserfrau ertränkte ihn dafür in einer Gartenfurche. Als er einst nach einem großen Regen im Garten spazieren ging, packte ihn die Feindin und drückte seinen Kopf so lange in die Pfütze einer Beetfurche, bis er ertrank.

Anmerkungen: Grausamkeit und Rachsucht ist ein hervorragender Zug der Wassergeister. – Der Nix erscheint in fast ununterscheidbarer Aehnlichkeit und äußerst intimem Verkehr mit den Menschen, aber auch feindselig gegen ihn. Die Zwerge sind blos launisch und wenn sie schaden, schaden sie mehr indirekt. Die Nixen sind verführerisch und grausam. So stellen sie die dunkle Seite der weiblichen Natur nach ihren beiden Richtungen hin dar in dämomischer Potenzirung und beweisen von Neuem, daß das Element des Wassers mit dem weiblichen Geschlechtsprincipe eine innere Verwandtschaft hat. Die Zwerge (Erdmännlein, wie sie in der Mark heißen) sind männlicher, derber, zuverlässiger. Züge von uneigen nütziger Wohlthätigkeit sind bei Zwergen ebenso häufig, wie sie selten sind bei Nixen.

Quelle: Karl Haupt, Sagenbuch der Lausitz, Leipzig, Verlag von Wilhelm Engelmann,1862