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Der gefangene Wassermann bei Wartha

  Samml. von Schön No. 19. 83. msc.

Hinter dem Dorfe Wartha nahe bei Kummerau im schwarzen Wasser hausete sonst ein Wassermann mit seiner Frau, der viele Menschen und Thiere dort hineinzog. Einst erbot sich ein Mann, Namens Krusche aus Kummerau, ihn heraus zu holen und zu fangen. Er bereitete sich sorgfältig dazu vor und ließ sich dann an eisernen Ketten in das Wasser hinein. Wenn sich Blasen auf dem Wasser zeigten, sollte man ihn wieder herausziehen, denn dann hätte er ihn gewiß erfaßt, und so brachte er ihn auch glücklich heraus.

Als der Wassermann gebunden auf der Erde lag, sagte er zu dem Krusche: „Hättest Du heute nicht zweimal Brod gegessen, so hätte ich Dich schon kriegen und erwürgen wollen“. Hierauf versprach er, nicht mehr an dieser Stelle sein Wesen zu treiben, sondern in eine entfernte Gegend zu ziehen. Da ließen ihn die Leute los und seitdem hat man weder von ihm, noch von seiner Frau Etwas gemerkt und gesehen. Denn wenn er mit dieser sich entzweit hatte, so gab er ihr nichts zu essen. Sie mußte daher zu den Leuten betteln gehen. Man erkannte sie gleich an ihren Röcken, die unten eine Elle hoch naß waren, und an ihrer besonderen Art zu bitten. Denn sie sagte nie ein Wort, sondern stellte sich mit verschränkten Armen in den Besenwinkel, wo sie so lange schweigend verweilte, bis man ihr ein Stück Brod auf die Arme legte. Erst vor der Thüre nahm sie das Brod von den Armen und steckte es ein.

Anmerkungen: Warum mußten es eiserne Ketten sein, an denen sich der Taucher ins Wasser ließ? Weil das Eisen „den Nig bindet (bannt)“. Will man sich gegen die Tücke des Nigen beim Baden sichern, so muß man vorher Stahl ins Wasser werfen, ein Messer am Strande in die Erde stecken oder eine Nadel in die Binsen. Eisen hat Irland aus Wassersgefahr gerettet, daher soll es Eisenland (Ironland, Ireland!) heißen. Irland stand nämlich, außer an jedem siebenten Jahre, beständig unter Wasser, bis eine himmlische Offenbarung kam, man solle, wenn das Land wieder sichtbar werde, ein Stück Eisen darauf werfen. Nun erst blieb die Ueberschwemmung aus und Irland wurde bewohnbar. Warum gerade ein Hufeisen besondere Heiligkeit genießt, wird aus der Anmerkungen: zu No. 47. ersichtlich. Das zweimal Brodessen ist ein interessanter Zug, der meines Wissens nur noch in der Geschichte vorkommt, die Gregor von Tours aus seinen Kindheitserinnerungen aufgezeichnet hat (de glor. confess. cap. 31.). Dort ist der den Fluß passirende Bauer vor den Nachstellungen des Nixen deshalb sicher, weil er sich seine Morgenkost vom Priester hat segnen lassen. (Grimm S. 282.) Sollte sich im Namen Krusche keine mythische Beziehung finden lassen? Die Antipathie gegen Metall und insbesondere das Eisen entspricht der empfindlicheren, weicheren Natur der Wassergeister; denn das Wasser in seiner Verwandtschaft mit dem Pflanzenleben und in seinen Beziehungen zum Monde ist das weibliche, receptive, gebärende und der Nacht zugewendete Princip, während das in den Bergen hausende Feuer die männliche zeugende Kraft symbolistrt und den Zwergen vertraut ist, welche ja Metallarbeiter sind. Bei Somnambülen, in denen eben dieses lunarische oder Nachtbewußtsein überwiegt und vorherrscht, findet sich dieselbe Antipathie gegen das harte Eisen, aus flüssigem Feuer gewachsen.

Quelle: Karl Haupt, Sagenbuch der Lausitz, Leipzig, Verlag von Wilhelm Engelmann,1862