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Der Flins

  Chron. Sax. Meißn. L. u. B. Chronik S. 149. Lindenborch, Gesch. Caroli M. f. 736. 
  Schedius, de diis Germanorum. Syngr. III. c. 7. p. 486. Frenzelii, dissert. de idolis Slav. § 25. 
  Manlius, in fine lib. II. Rer. Lus. Destinata lit. Lus. II. 90. Singul. Lus. XI. 714 
  L. Mon. - Schr. 1796, I., 19. N. Laus. Mag. 1822, 572. 1823, 40. 1842, 344. 
  Gräve S. 138. Preusker I. 186, II. 59. Ziehnert III. 284.

Eine halbe Stunde von Budissin spreeabwärts, wo sich das Thal verengt und graue Granitfelsen mit grünem Gebüsch anmuthig abwechseln, beim Dorfe Oehna an einem steilen Felsabhange stand einst das Götzenbild des slawischen Todtengottes Flins, und noch heute nennt das Volk die Stelle „beim Abgott Flins“. Einem Todtengerippe ähnlich, mit einer Fackel oder brennenden Schale in der Hand, auf seiner Schulter ein schrecklicher Löwe, so stand der Gott auf einem steinernen Altare und rings umher in den steinigen Höhlen der Ufer waren die Wohnungen seiner zahlreichen Priester.

Wenn aber der Löwe brüllte oder die Feuergarbe brannte, dann strömten von allen Seiten die Götzendiener herbei und brachten blutige Menschenopfer dem Gotte des Todes. Wer große Vergehen abzubüßen hatte, der mußte von hier aus bis zum Tschernebog auf den Knieen rutschen. Als aber die Deutschen in das Land brachen und mit Feuer und Schwert Christum predigten, da fielen alle Götzenbilder und auch der Flins wurde von dem Felsen herab gestürzt in die Fluthen der Spree. Dort liegt er noch, und wenn das Wasser recht hell und ruhig ist kann man ihn sehen sammt seinem Löwen auf dem Grunde der Fluth. Das Wasser aber geht unter dem Felsen weg in große Höhlen und Schluchten, wo unermeßliche Schätze liegen, und schon Mancher hat danach zu tauchen versucht, doch allezeit ohne Erfolg.

Anmerkungen: Die Chronisten berichten, daß im Jahre 1126 Adelgott, Erzbischof von Magdeburg, mit dem Herzoge Lothar, nachmaligem Kaiser, den wieder aufgerichteten Flins bei Budissin gänzlich zerstört habe. Andere schreiben dessen Vernichtung dem Bischof Otto von Bamberg bei Gelegenheit seiner Reise durch die Lausitz im Jahre 1124 zu. Knauth in seiner serbischen Kirchengeschichte behauptet aber, im 12. Jahrhundert könne es gar kein Götzenbild dort mehr gegeben haben. Aeltere Schriftsteller leiten seinen Namen von dem Steine = Flint ab, auf dem er gestanden habe. Neuere Forscher haben das Ganze für eine Erdichtung der Gelehrten erklärt, die neuesten haben den ungeheuern Schwall gelehrter Notizen gesichtet und einen glaubwürdigen Kern heraus zu schälen gesucht. Die Beschreibungen rühren von motorisch unzuverlässigen Schriftstellern her. Die Deutung der Symbole ist verschieden. Der Löwe ist wohl eher der alles packende, gefräßige Tod, als der Wecker zum neuen Leben. Die Feuergarbe (barmen – Blase) erinnert an die Fackeln beim Todaustreiben. Auch bei Kolkwitz und Madlow im Kottbuser Kreise soll in einem heiligen Haine ein Flinsbild gestanden haben. Man sagt, Madlow sei die älteste Kirche dieses Kreises (Lademann, Kirchengeschichte von Kottbus S. 7.). Der sogenannte Flins Gorlicensis ist eine lächerliche Erfindung, die lange Zeit in den Köpfen der Gelehrten spuckte. Nork (Mythologie der Sagen S. 589.) glaubt aber immer noch daran und deutet ihm sehr ausführlich. Das Unthier über der Hausthüre in der Unterlangengasse ist nichts mehr und nichts weniger als ein heraldischer Löwe, ein Schildhalter. Zum Ueberfluß trägt er die Jahreszahl 1795. Daß der Name von Flint, Stein, herkomme, erscheint nur dann glaublich, wenn man die Möglichkeit annimmt:

1. daß der slavische Name verloren gegangen und der deutsche an seine Stelle getreten sei;

2. daß dieser Name nach etwas so Zufälligem, wie dem Standorte, sich gebildet habe;

3. daß diesen wunderlich entstandenen Namen die ihren Traditionen doch sonst so anhänglichen Wenden angenommen hätten.

Aber das F, das überhaupt der slavischen Sprache fremd ist, kann ja korrumpirt sein aus P. Der Gott heißt Plins, Pilnitis, Pilniz, Pilwitz, als Drache Plon, heißt der dämonische Schatzspender der slavischen Mythologien, und der Gott des Reichthums ist ja zugleich Gott des Todes, Plutus = Pluto. Soviel steht fest: die Sage vom Abgott Flins lebt im Munde des Volks und die Umwohner wallfahrten an bestimmten Tagen noch heute „zum Abgott“, wenn auch nur als Spaziergänger. Ein früherer Ortsbesitzer Dr. Brescius hat den schönen Punkt durch eine Spitzsäule verherrlicht, bezeichnet mit dem Buchstaben B. 1725. Auch fängt ein altes wendisches Volkslied an:

Flins, der Du stehst bei Bauzen,

Hoch über dem Spreegewässer.

Der Gott hieß also höchst wahrscheinlich Plins und war eine specielle, vielleicht blos provincielle Personifikation des mehr oder weniger unpersönlich gedachten Tschernebog. Er ist ein Todtengott und wenn ihm die sonst gewöhnlichen Attribute des männlichen Geschlechts abgehen, so daß er als eine androgynische Gottheit aufgefaßt werden kann, so ist das eben ganz bezeichnend für die slavische Religion, die das Princip der Finsterniß und des Todes mit überwiegend weiblichen Attributen ausstattete. Ursprünglich mag wohl der slavische Dualismus sich in 2 Principieen, dem männlichen Sonnen-Sommer-Gott und der weiblichen Mond- und Winter-Gottheit dargestellt haben. Doch haben wir bei den Slaven eine so bestimmte Auseinanderhaltung der Geschlechter, wie z. B. bei den Griechen, überhaupt nicht zu erwarten. Ein ausgesprochen männlicher Todesgott konnte sich aber nur im Norden ausbilden, wo ja die Mondgottheit das Geschlecht wechselt.

Der Drache war wahrscheinlich ebenso Attribut wie Substitut des Flins, obgleich die Sage ihn nicht erwähnt und das Flinsbild stets nur mit einem Löwen beschrieben wird. Wir haben dafür nicht blos einen sprachlichen Grund in der oben angegebenen Verwandtschaft von Plins und Plon, sondern es kommen hierzu noch folgende Beobachtungen.

1. Zirnitra, der schwarze Drache, das Kriegszeichen der Nordwenden, war Attribut und Substitut für Tschernebog. Flins aber ist eine Personifikation des allgemeinen Princips, das mit dem Namen Tschernebog bezeichnet wird.

2. Der Drache, ist überall Goldhüter. Der in die Spree versenkte Schatz ist eine Art wendischer Nibelungenhort, der einst in der Gewalt des Drachen, des Lindwurms.

3. Löwe und Drache sind in der Mythologie zwei Hälften eines Wesens. Wolfdietrich, ein menschliches Drachensymbol (Grimm's Heldensage S. 320.), ist zugleich der Löwenritter, wie auch sein Schildzeichen anzeigt (Heldensage S. 234.). In einem alchymistischen Manuskript, Zoroaster betitelt, kämpfen Löwe und Drache ebenso zusammen wie im Iwain. Einmal verschlingt der Löwe den Drachen und wird nun selbst Drache. Das andre Mal wird auf dieselbe Weise der Drache zum Löwen.

4. Wie Flims und Lindwurm, Plon und Pluto, sprachlich verwandt sind durch die Silbe Lind, habe ich gezeigt im Neuen Lausitzischen Magazin Bd. 36. S. 175. Der Lind wurm ist aber auch mit dem Lindenbaume verwandt. Der Begriff des Feuchten und Dunklen macht den Lindenbaum zu einem lunarischen Symbol. In der Sigfrieds sage, wie in der Leipziger St. Georgslegende wird der Lindwurm unterm Lindenbaum erschlagen, aber auch der Flins zu Leipzig stand unter einem Lindenbaum (Lie busch, Skythika S. 255.). Dies bestätigt ihn zugleich als eine Mond- und Winter gottheit. Eine Sage vom Limasberge erzählt, daß auf diesem Berge, sowie auf dem benachbarten Todtensteine ein Bild des Flins gestanden habe. Nicht unwahrscheinlich! Denn Limasberg, Limberg, heißt Lindberg (englisch lime-tree, die Linde) und das be machbarte Dorf Liebstein heißt Lindstein (wendisch lipa, die Linde).

Quelle: Karl Haupt, Sagenbuch der Lausitz, Leipzig, Verlag von Wilhelm Engelmann,1862