<<< vorherige Sage | Zweite Abtheilung: Dämonensagen | nächste Sage >>>

Der Wassernix und der Bär in der Oelmühle bei Frauendorf

  O. u. N. L. Chronik. S. 48.

In die an einem Spreearme des Ritterguts Frauendorf im Kottbusser Kreise gelegene sogenannte Oelmühle kam vor Zeiten nicht selten der Wassernix, bat den Müller, ihm einige mitgebrachte Fische kochen zu lassen und verzehrte sie daselbst. Dem Müller wurde dieser unheimliche Besuch nach gerade lästig; er getraute sich aber nie, dem ungebetenen Gaste seine Bitte abzuschlagen. Einst jedoch befreite ihn der Zufall von demselben.

Eines Abends nämlich wanderte ein Bärenführer mit seinem gezähmten Bären in Frauendorf ein und bat den Müller um ein Nachtquartier. Dieser, ein gutmüthiger Mann, schlug es ihm nicht ab, nnd so wurde der Bär, um ja keinen Schaden zu thun, in der Wohnstube hinter den Tisch gesetzt und dort angeschlossen. Nicht lange nachher kam der Nix mit einem Gericht Fische in die Mühle. Nachdem diese mit Erlaubniß des Müllers gekocht waren, setzte sich der Nix ebenfalls hinter den Tisch neben den Bär und fing an sie zu verzehren. Den hungrigen Bären lockte der Geruch des leckeren Gerichts an, und er säumte nicht, aus des Nixen Schüssel mit zuzulangen. Dieser, darüber ärgerlich, klopfte den Bären mit dem Löffel auf die Tatzen.

Einige Male läßt der Bär es sich gefallen, als aber die Schläge fühlbarer werden, ergrimmt er fürchterlich, umklammert den Nix und würgt ihn furchtbar, bis der Bärenführer hinzu springt und den fast zerquetschten Nixen aus den Klauen des Unthiers befreit. Dieser lief eilig zur Thüre hinaus, sprang in's Wasser und ließ sich wohl ein Jahr nicht wiedersehen. Nach Verlauf dieser Zeit, als einst der Müller bei seinem Wehre beschäftigt war, tauchte plötzlich der Nix mit seinem rothen Käppchen aus dem Wasser auf, grüßte den Müller und fragte mit weinerlicher Stimme: „Meister Müller, habt Ihr Eure große Katze noch?“ – Der Müller, befürchtend, daß der Nix sich wieder bei ihm einbürgern wolle, antwortete rasch: „Ja, sie liegt hinterm Ofen und hat neun und neunzig Junge!“ – worauf der Nix erwiderte: „zu Euch komme ich nun und nimmermehr wieder!“ – hiernach unterm Wasser verschwand und sich nie wieder hat blicken lassen.

Anmerkungen: 1. Der Nix hält sich gern bei Mühlen und Wasserfällen auf; entweder weil an diesen Stellen die Kraft des Wassers potenzirt erscheint, oder weil der musikalische Sinn des Nixen ihn zu den rauschenden und plätschernden Stellen zieht. 2. Der Bär vertreibt die Gespenster; ein Bär im Stalle beschützt das Vieh vor Behexung. Ein weißer Bär besiegt einen Kobold (Mone's Untersuchung zur deutschen Heldensage S. 287.). 3. Eine auffallend ähnliche Sage wird von Asbjörnsen und Moe unter No. 26. Mit getheilt. Dort besiegt der Bär eine Menge Trollen (Unholde), die einen Bauer belästigen. Warum? Weil er dem Thor, dem Dämonenüberwinder, geheiligt ist. Und warum dies? Vielleicht weil der Bär gleich dem Donner im Winter schläft. In der norwegischen Sage nennt der Unhold den Bären sogar mit demselben Ausdruck: große Katze. Es giebt überhaupt einzelne äußerst überraschende Aehnlichkeiten zwischen der lausitzischen und skandinavischen Sage einerseits und der lausitzischen und schwäbischen, insbesondere schweizerischen, andererseits. Diese drei Länder sind die Hauptstationen des suevischen Volksstamme. Dies scheint die Ursache zu sein. Vergleiche No. 32. Anm., No. 38. Anmerkungen, No. 87. Anmerkungen. 4.

Quelle: Karl Haupt, Sagenbuch der Lausitz, Leipzig, Verlag von Wilhelm Engelmann,1862