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Der Wassermann als Freier

  Haupt und Schmaler, Wend. Lieder I. 62. Anm. 
  Mündlich.

Es war einmal ein schönes junges Fräulein auf einem hohen Schlosse, die erblickte der Wassermann und entbrannte in Liebe gegen sie. Und der Wassermann kam angefahren als ein schöner junger Herr mit vier stolzen Rossen und hielt bei ihren Eltern um sie an und die sagten ihm ihr Töchterlein zu, denn er hatte unermeßlich viel Geld. Aber die Jungfrau konnte ihn nicht wohl leiden, so schön er auch war, und bat ihren Vater, daß er sie doch noch ein Jahr möchte ledig bleiben lassen. Allein der Vater wollte den reichen Eidam sich nicht entgehen lassen und die Hochzeit wurde alsbald angesetzt.

Da saß nun die arme Braut gar betrübt in ihrem Kämmerlein und weinte, und wand sich die weißen Hände wund. Und da kam auch der Wassermann zu ihr herein und sprach: „Was weinst Du denn, meine liebe, liebe Braut“. „Ach“, sagte sie, „was soll ich nicht weinen, da alle Leute sagen, Du seist der Sohn der Wasserfrau.“ „Ei,“ sprach da der Bräutigam, „mögen sie doch sagen, was sie wollen, es wird einmal nicht anders. Ich will Dir eine Brücke bauen von lauter Silber und purem Golde. Ich will Dich darüber lassen fahren mit dreißig schönen Wagen und mit vierzig prächtigen Pferden.“ Und er nahm sie an der Hand und sie gingen zur Kirche und wurden ein ander angetraut.

Und als sie getraut waren, da standen vor der Kirchthür dreißig schöne Wagen und vierzig prächtige Pferde und der Wassermann setzte sich mit seiner Braut in den ersten Wagen und sie fuhren fort bis an den breiten, breiten Fluß. Darüber war eine Brücke gebaut von silbernen Pfeilern mit einem kostbaren goldnen Geländer, also daß es gar herrlich anzu schauen war. Als sie aber mitten auf der langen Brücke waren, da brach die Brücke zusammen, und Alles versank im Wasser. Das sah der Vater aus seinem Fenster, als er ihnen nachblickte und rief: „Ach! Mutter, Mutter, sieh' doch, unsre Tochter versinkt im Wasser.“ Die Mutter aber, die schon von dem Umstande wußte, sprach: „Laß sie immer versinken, es wird einmal nicht anders.“

Nun war die junge Frau dort bei dem Wassermanne ganzer sieben Jahre und gebar ihm sieben Söhnlein. Als es aber in's achte Jahr ging und sie wieder schwanger war, überkam sie eine große Sehnsucht und sie bat den Wassermann, daß er sie doch auf die Oberwelt möchte zur Kirche gehen lassen. Da sagte der Wassermann: „Gut, ich will Dich auf die Oberwelt zur Kirche gehen lassen, aber Du darfst mir den Segen nicht abwarten.“

Voller Freuden machte sich nun aus ihrer krystallenen Wasserwohnung die Frau auf und ging auf die Oberwelt zur Kirche. Da sah sie ihren lieben Bruder und ihr jüngstes Schwesterlein und das war eine große Freude und Lust. Sie herzten und küßten sich und erzählten einander, was ihnen begegnet war. Aber über dem Herzen, Küssen und Erzählen ging die Zeit hin und der Geistliche sprach den Segen, ehe sie sich's versahen. Da erschrak die Frau, gedachte an das Verbot ihres Eheherrn und nahm eilends Abschied von den Ihrigen. Aber als sie heim kam, da lief der Wassermann wüthend umher in seiner blauen Hose und seinen rothen Strümpfen, erwürgte vor ihren Augen die Kindlein, zerriß sie in viele Stücke und hängte sich selbst an der Thüre auf.

In See bei Niesky soll gleichfalls in einem Teiche ein Wassermann gehaust und zu einem Mädchen in Moholz auf die Heirath gegangen sein, auch an einem Bierabende mit ihr getanzt haben. Da sie ihn aber nicht habe heirathen wollen, sei er verschwunden und nie mehr in der Gegend gesehen worden.

Anmerkungen:

1. Eine umgekehrte Melusiniade. Auch hier stürzt das Uebertreten eines Verbotes ihrem Raymund, daß sie eine fromme Christin sei und Meliore legt ihr christliches Glaubensbekenntniß ihrem Geliebten Parthenoper von Blois in der Brautnacht ab. Der obigen sehr ähnlich ist eine niederländische Sage, wo die Frau des Nix gern zur Messe gehen möchte, aber durch ein gestrandetes Schiff, das ihre Hausthür sperrt, darau verhindert wird. (Wolff, N. S. No. 511.). In Dänemark giebt's sogar einen Nix, der ein Seebischof ist. (Wolff, D. S. No. 246.) – Sonach wird es weniger auffallen, daß auch in der wendischen Sage eine kirchliche Trauung stattfindet. Die Frau soll bei ihrem Besuche den Segen nicht abwarten. Das bedeutet wohl nur, sie solle nicht bis zu Ende dableiben. Vielleicht aber hat der Segen Macht, sie vom Wassermanne zu erlösen, so daß sie nun auf der Oberwelt bleiben kann. Der Nix ist ja zu Lande unkräftig und muß selbst den Menschen dienen.

2. Der Nix fährt mit Rossen wie Poseidon und Rikur (Grimm 277.) Nickel bedeutet ein kleines Pferd, nack oder gmack = Roß (Scherzer, gloss. gern.III., 4422.). Man erinnere sich auch an die Quellen stampfenden Rosse. Der Teufel, der ja mit einem Pferdefuße geziert ist, heißt in England Nick. Auch der Reitersmann St. Nikolaus ist vielleicht ein christianisirter Nix. (Gejer, schwedische Geschichte I. S. 110.) Offenbar ist ein sprachlicher Zusammenhang zwischen arrog und éra, fließen, equus und aequor, aqua und acva (sanskr. Noß), ros, Thau und ross, ögóoog. ägGm, Thau, und horse (englisch Pferd), sowie zwischen Roß und rieseln, Mähre und Meer. Die Erklärung dieser vielfachen mythischen und sprachlichen Beziehungen zwischen Pferd und Wasser liegt in dem cholerischen Temperamente, der elastisch springenden, bäumenden und schäumenden Gestalt des Pferdes, vorzüglich aber in der lang hinfließenden Mähne, dem lang wallenden Schweife. Fließendes Wasser und fließende Haare verschmelzen in der Volksphantasie zu einer Anschauung, einem Symbol. Wasserfrauen, Melusina und Loreley, werden mit lang hinwallenden, aufgelösten Haaren dargestellt und kämmend gedacht. Ist nun fließendes Wasser ein Bild des Lebens und der Fruchtbarkeit, so erklären sich die lang herabwallenden Haare der Liebesgöttinnen (z. B. Siba, cf. No. 15.), sowie die in manchen Gegenden der Wendei gebräuchliche Sitte, daß die Braut in aufgelösten Haaren zum Altare tritt.

3. Im achten Jahre geht die Frau zur Erde zurück. Ebenso in der dänischen Sage, wo der Meermann Rossmer eine Königstochter stiehlt und acht Jahre besitzt.

Quelle: Karl Haupt, Sagenbuch der Lausitz, Leipzig, Verlag von Wilhelm Engelmann,1862