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Der schöne Georg und das Wasserfräulein

  Haupt u. Schmaler, Wend. Lieder II. 269.

Vor alten Zeiten kamen die Töchter des Wassermannes sehr oft in die Schenke zu Lohsa, wenn daselbst Musik war und tanzten ohne Scheu mit den jungen Burschen. Sie waren sehr schön und dabei hübsch geputzt und von andern Mädchen nur dadurch zu unterscheiden, daß ihr Rock stets einen nassen Saum hatte.

Nun war aber dazumal in Lohsa ein junger flinker Bursche, der hieß nur immer Rjany Jury, d. h. der schöne Georg. In den verliebte sich das Wasserfräulein und er auch in sie, aber er scheute sich doch lange Zeit, in ihre Wohnung mit zu gehen. Der Wassermann aber hatte damals seine Wohnung in dem an der Spree gelegenen Teiche Ramus, durch den jetzt der Fluß geleitet ist. Der Bursch begleitete seine Geliebte öfters bis dahin, und endlich ging er auch einmal mit ihr. Das Wasserfräulein nahm eine Gerte und schlug damit ins Wasser. Dieses zertheilte sich und sie führte nun ihren Geliebten auf einem schönen grün berasten Wege zu der Wohnung des Wassermanns. Der nahm den Geliebten seiner Tochter freundlich auf und bewirthete ihn sehr gut. Ueberhaupt war es sehr schön dort, sonst aber ganz wie in einer gewöhnlichen menschlichen Haushaltung.

Anmerkungen:

Die Sage verschweigt den weiteren Verlauf dieser Liebschaft. – Man steht, die Nixen sind eben so vertraulich mit den Menschen, wie die Zwerge, Buschmännchen und dergleichen, obgleich sie denselben auf der anderen Seite nachstellen. Nixen besuchen Spinnstuben. (Spinnerinnen haben überhaupt viel mit der Geister welt zu thun. Das macht, ihre Beschäftigung ist eine uralt heilige.) Anderweit entfernen sich die Nixen pünktlich um Mitternacht. Ein verliebter Schulmeisterssohn stellte einmal die Uhr nach, so daß sie eine Stunde länger blieben. Den Tag darauf starb er. Gleich zeitig waren am benachbarten Flusse drei Blutflecken bemerkbar. (Grimm, D. S. No. 306.) Sodann aber sind die Nixen besonders musikalische Geister, sie gehen der Musik nach, ja sie sind selbst Meister darin. Man denke an die Loreley. Der Zittauer Nix (siehe No. 44.) scheint nur rhythmische Uebungen angestellt zu haben. In Schweden sagt man von Spielleuten, die ihre Sache verstehen: „Er spielt wie ein Strommann“.

Der indische Gott der Musik Narada leitet wie Nereus und die Nereiden seinen Namen vom Wasser ab. Liegt dem Allen vielleicht eine Anspielung auf den rhythmischen Wellenschlag, auf das Murmeln des Wassers zu Grunde? Der Strömkarlslag hat die Kraft des Orpheischen Gesanges (Grimm S. 278.) Huslar, (wendisch) der Zauberer, kommt von husla, die Geige, oder umgekehrt. Der Schwede Afzelius sagt von Odin: „Er war Beherrscher des Meeres, er wurde auch Nicus oder Nix genannt, er soll manche Menschen in der Runenschrift und im Runengesange unterwiesen haben“. Dazu vergleiche die Wasserorakel bei den slavischen Völkerschaften (Hanusch, Mythologie S. 309.). In der Musik endlich finden sie etwas Dämonisches. Deshalb spielt auch der Teufel die Violine am Hexensabbath. Das apokryphische Buch Henoch verdammt die Musik als Dämonen Erfindung. Die grüne Wiese unter dem Wasser, auf welcher die Versunkenen sich aufhalten (Grimm, D. S. No. 4) und die blos den Selbstmördern verschlossen ist (das mhd. Gedicht Flore 19b.), erinnert an die Asfodeloswiese im Orkus der Alten. (Odyss. XI. 539., XXIV. 13., cf. Virgil. Aen. Vl. 638.)

Quelle: Karl Haupt, Sagenbuch der Lausitz, Leipzig, Verlag von Wilhelm Engelmann,1862