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Buschweiblein läßt sich kämmen

  N. L. Mag. 1838 S. 381. Schön's handschriftl. Sammlung No. 44. K. Haupt, 1. c. No. 16.

Ein armes Mädchen aus Zoblitz hütete ihr Vieh in der Görlitzer Haide, ohnweit des Brandrevieres. Als sie sich einmal umsieht, steht ein kleines Weiblein hinter ihr mit bittender Geberde und sagt: Schönes Kind, kämme mich und lause mich, ich will Dir auch ein schönes Geschenk geben.

Das Mädchen kämmt und lauset das kleine Weibchen, bis es mit Schrecken gewahr wird, daß es darüber Abend geworden ist, denn sie hatte weit bis nach Hause. Schnell springt sie auf und fängt an ihr Vieh heimzutreiben, ohne an das versprochene Geschenk zu denken. Das kleine Weiblein aber kommt ihr nachgelaufen und schüttet ihr eine ganze Menge grüner Blätter in die Schürze. Das arme Mädchen, dem ganz angst geworden ist, nimmt sie zwar eine Strecke weit mit, schüttet sie aber dann aus. Nur ein Blatt war am Schürzenbande hangen geblieben, und als sie zu Hause sie abbindet, fällt ihr ein blankes Goldstück vor die Füße. Da bemerkt sie erst, welch einen Schatz sie weggeworfen.

Anmerkungen: Ein Mädchen, das der Frau Holle ihre ein Jahr lang nicht gekämmten Haare auskämmte, kämmte aus ihren Locken Perlen und Edelsteine. (Grimm's Kindermärchen III., 44.) Kämmen bringt Segen, sowohl in Bezug auf die Ernte – der Hollenzopf, in England Elflock, ist der Flachs der Spinnerin Holle – als auch in Bezug auf Leibesfrucht. Vergl. Anmerkungen: zum Sibyllenstein No. 15. Fast dieselbe Geschichte wird in Dittersbach, Großschönau, Oderwitz, Spitzkunnersdorf erzählt.

Quelle: Karl Haupt, Sagenbuch der Lausitz, Leipzig, Verlag von Wilhelm Engelmann,1862