Frau Lieschen und die Stadt Gression

  Von Herrn Prof. Dr. Capitaine

Hinter Röhe, auf St. Jöris zu, befindet sich eine Mulde, die mit Gestrüpp und alten Weidenbäumen bewachsen war und noch heute den Namen „Frau Lische“ führt. Dieser Name ist einer alten Sage entnommen, nach der sich in der Mulde eine Weibsperson aufhielt, genannt „Frau Lische“, die des Nachts, in langes, helles und leuchtendes Linnen eingehüllt, den Wald durchzog und, von Baum zu Baum springend, mit den Händen Wäsche plättete, so daß es schaurig durch den ganzen Wald hallte, und niemand, auch der Beherzteste nicht, es wagte, den Wald in der Dunkelheit zu betreten.

In der Mulde soll früher eine Stadt mit Namen Gression gelegen haben, deren Bewohner durch Sonntagsentheiligung den Zorn Gottes herabgerufen hätten, so daß dieser die Stadt mitsamt ihren Bewohnern in den Erdboden versenkte. „Frau Lische“, welche des Sonntags die Wäsche gereinigt hätte, müßte deshalb zur Strafe noch lange Jahre hindurch des Nachts im Walde, in langes, weißes Linnen eingehüllt, herumziehen und Wäsche plätten.

Quelle: Heinrich Hoffmann, Zur Volkskunde des Jülicher Landes, Zweiter Teil: Sagen aus dem Indegebiet