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Die Vensmännel

  N. L. Mag. 1829 S. 249, 1838 S. 282. 
  O. u. N. L. Chron. S. 85. 
  Gräve S. 105. 
  K. Haupt, l. c. No. 9. 10. 11.

Lange bevor Ostritz gebaut war, lebten daselbst die Vensmännel. Die Vensmännel (Feensmännel) sind ein kleines gutmüthiges Völkchen, welches früher in dem sogenannten Venusberge (Feensberg, Feensmännelberg) wohnte.

Wenn die Ostritzer Bier brauen wollten, borgten sie sich von den Vensmänneln die Braupfanne; wenn sie dieselbe nicht mehr brauchten, setzten sie dieselbe auf den Steg, der über die Neiße führt, wo sie dann von jenen wieder abgeholt wurde, und legten jedesmal zum Dank eine Semmel hinein. Als aber einmal Jemand die Semmel aus der Pfanne genommen und dafür einen Dreck hineingelegt hatte, hörte die nachbarliche Freundschaft auf.

Doch blieben sie noch dort wohnen, bis in Ostritz die ersten Glocken aufgezogen wurden. Den Ton der großen Glocke aber konnten sie nimmer vertragen und wanderten aus, alle zusammen mit Sack und Pack und verließen den Berg. Ihren Weg nahmen sie durch die Altstadt von Ostritz von Morgen nach Abend, und haben auf diesem Zuge Melkgelten auf dem Kopfe gehabt statt der Hüte.

Andere sagen, daß auch noch später welche gesehen worden sind, die man zurückgelassen hat, die im Venusberge verwahrten Schätze zu bewachen. Einmal zur Christnacht sah ein Vorübergehender den Berg sich öffnen, darin saßen die Feensmännel auf großen Goldhaufen und riefen ihm zu:

Greif ein'n Griff
Und streich ein'n Strich
Und packe Dich.
Er hat sich's aber nicht getraut.

Ein altes Mütterchen in Neudörfel an der Wittiche erinnerte sich noch ganz gut, was ihre Urgroßmutter oft gesehen hatte: Ein Feensmännel hatte immer an der Wittiche, nicht weit vom Feenssteine, gebleicht, bald auf der einen, bald auf der andern Seite des Flusses. Dann war das Vieh stets unruhig geworden und hatte nicht fressen wollen; auch Töpfe hatte es bei sich gehabt.

Anmerkungen:

  1. Noch zeigt man in Ostritz einen Weg zwischen zwei Häusern, den sie ein schlugen. Oft erwähnt man ihrer noch sprichwörtlich, wie daß man von einem sagt, der recht kurze Kleider hat: „er geht wie ein Feensmännel“. So bedeutet der Zwergname Kurzibold soviel als einen kurzen Rock. (Grimm, S. 254.)
  2. Die großen Kessel und Pfannen in den Bergen bei Zwerg- und Schatzsagen sind ohne Zweifel Reminiscenzen an die heidnischen Opferkessel der Kelten und Germanen.
  3. Wenn die Wasserfrau Wäsche bleicht, ist ein Wetter im Anzuge. Das Unruhigwerden des Viehes bedeutet dasselbe. Die Töpfe indessen deuten eher auf einen Berg- als einen Wassergeist.
  4. Der Zwergname Feensmännel oder wie andere schreiben Vensmännel ist sehr eigen thümlich und schwer zu erklären (siehe die Anmerk. zum Vensstein bei Neudörfel). Zu den dort geführten Untersuchungen noch eine Hypothese, Fenzon heißt (nach Graff) alt hochdeutsch spotten. Fenzeln im Bairischen noch heute spotten. Wie wäre es, wenn man Fenzmännel (= Spottmännel) zu schreiben und dabei an den neckischen Charakter der Zwerge zu denken hätte?

Quelle: Karl Haupt, Sagenbuch der Lausitz, Leipzig, Verlag von Wilhelm Engelmann,1862